Der Leistungsträger - Blog

In jüngster Zeit wird die Tandem-Führung – eine mit genau 2 Personen jeweils in Voll- oder Teilzeit besetzte Position – gerne als Management-Trend verkauft, auch wenn das Modell der Doppelspitze alles andere als neu ist. Hohes Innovationspotenzial hat ein Führungstandem trotzdem. Vorausgesetzt, die Chemie im Führungsduo stimmt. Gleiches gilt für andere Formen der gemeinsamen Führung (Joint Leadership) wie das vieldiskutierte Topsharing. Anderenfalls können Joint-Leadership-Modelle im Top-Management auch eine enorme destruktive Kraft entfalten.

In diesem Beitrag zeige ich Ihnen,

Joint Leadership, Topsharing, Tandem-Führung und Co. – Buzzword Alarm?

Ein Führungskonzept, viele Begriffe. Rund um das Joint Leadership, die gemeinsame Führung, schwirren viele Begrifflichkeiten. Allzu verständlich also, dass im ersten Moment die Buzzword-Alarmglocken schrillen. Lassen Sie sich von diesem Begriffsdschungel nicht verunsichern. Das Joint-Leadership-Modell ist ein ernstzunehmender Ansatz, der zumindest das Potenzial hat, veraltete Führungsstrukturen aufzubrechen und die Unternehmensführung effizienter zu gestalten.

Der Kern: Beim „Topsharing“ wird eine Spitzen-Führungsposition auf zwei oder mehrere Personen aufgeteilt. Das kann – wie im Jobsharing üblich – als Teilzeit-Modell ausgestaltet werden. Gerade an der Unternehmensspitze allerdings arbeiten beide Top-Manager, die sich einen Posten teilen, nicht selten in Vollzeit. Ein aus zwei Personen bestehendes Führungstandem – die sogenannte Doppelspitze – ist die in der Praxis wohl häufigste Konstellation. Diese Art der Co-Führung bietet meiner Erfahrung nach viele Chancen, ist aber kein Allheilmittel.

Übrigens: In der Teilzeitvariante bietet Topsharing Spitzen-Führungskräften auch mehr Entfaltungsmöglichkeiten. Ein prominentes Beispiel ist Marcus Diekmann, der als Teilzeitvorstand gleich in zwei Unternehmen (Peek & Cloppenburg und Rose Bikes) tätig sein und nebenbei noch seine Selbstständigkeit forcieren konnte. Dafür arbeitete er nach eigenen Angaben fünf Tage die Woche von morgens bis abends (mind. 60 Stunden).

Tandem-Führung: ein Modell mit Zukunft – aber kein neues

Verfolgt man die Medienberichte, liegt Topsharing und insbesondere die Tandem-Führung „voll im Trend“. Mitunter bekommt man den Eindruck, dass hier ein innovatives Führungsmodell gerade erst das Licht der Welt erblickt hätte. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich denke durchaus, dass Führungstandems in so manchem Unternehmen Vorteile bieten und daher ein Modell mit Zukunft sind. So neu oder innovativ, wie es teils den Eindruck macht, ist die Co-Leitung von Unternehmen allerdings nicht.

Vielmehr haben Unternehmen mit Doppelspitze in Deutschland eine lange Tradition – und sind auch heute weit verbreitet. Den Beweis sehen Sie, wenn Sie das Branchenverzeichnis Ihrer Stadt aufschlagen oder mit offenen Augen durch die Stadt bzw. das nächstgelegene Gewerbegebiet spazieren. „Meyer & Sohn“, „Schmidt & Schneider“, „Fischer & Müller“ – überall entdecken Sie Hinweise auf eine Doppelspitze im Unternehmen. Gerade Mittelständler setzen sehr häufig auf entsprechende Modelle – insbesondere im Zuge der Unternehmensnachfolge in Familienunternehmen. In Konzernen dagegen ist die Tandem-Führung bislang noch wenig verbreitet. Aber auch hier findet aktuell ein Umdenken statt. Beispiel BMW: Bis 2025 will das Unternehmen über sämtliche Unternehmensbereiche hinweg 50 Führungstandems einführen. Aus guten Gründen – aber dazu gleich mehr.

Führung mit Doppelspitze – pro und contra

Sowohl für als auch gegen die Einführung einer Doppelspitze sprechen gewichtige Gründe. Bevor Sie das Wagnis eingehen, sollten Sie alle wichtigen Pros und Contras mit Blick auf die eigene Unternehmensstruktur gründlich durchdenken.

Gemeinsam statt einsam: die 5 Vorteile von Führungstandems

  1. Doppelte Spitze, doppelte Erfahrung: Jede Top-Führungskraft bringt eigene Kompetenzen und individuelle Erfahrungen mit. Im Tandem ergänzen sich idealerweise die Kompetenzprofile beider Mitarbeiter, was zu besseren Ergebnissen führt.
  2. Kollege und Sparringspartner: Mit einem Tandempartner, dem Sie vertrauen können, haben Sie automatisch einen internen Sparringspartner an Ihrer Seite. Auch größere Alters-/Erfahrungsunterschiede können dabei ein echter Gewinn sein, und die Innovationskraft erhöhen.
  3. Bessere Work-Life-Balance für Manager: 60, 70 oder 80 Stunden arbeiten – als C-Level, Geschäftsführer, Vorstand oder Vorstandsvorsitzender keine Seltenheit. Führungstandems verteilen die Arbeitslast einer Top-Stelle auf zwei Schultern und schaffen damit echte Entlastung.
  4. Weg aus dem Führungskräftemangel: Eine bessere Work-Life-Balance und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Top-Management bieten einen weiteren Vorteil: Sie steigern die Attraktivität von Führungsrollen, gerade unter jüngeren Führungskräften, und sind damit ein Mittel gegen den Führungskräftemangel. Insbesondere für Männer und Frauen mit Kindern ist das Modell eine erstklassige Chance, in Top-Führungspositionen zu arbeiten – und die Arbeitszeiten mit dem von Kita und Co. definierten Betreuungsrahmen in Einklang zu bringen
  5. Das Führungsmodell als Vorbild: Führen durch Vorbild? Als Führungstandem treten Sie selbst den Beweis an, dass Kooperation, Teamarbeit und Teamspirit im Unternehmen gelebt werden. Für die Mitarbeitermotivation kann sich das als echter Segen erweisen.

Fallbeispiel: interne Rückendeckung dank „verdecktem“ Topsharing

Erfolgreiche Joint Leadership Modelle müssen nach außen gar nicht zwingend als solche erkennbar sein. Ein Beispiel aus meiner Coaching-Praxis: Eine Klientin wurde zur Top-Führungskraft befördert – mit der Aufgabe, ihren gesamten Bereich neu aufzustellen und durch die anstehende Transformation zu führen. Ihr war klar, dass sie diese Herausforderung am besten im Team bewältigen würde. Daher berief sie einen Stellvertreter und holte eine weitere Top-Führungskraft in ihren kleinen „Führungskreis“.

Die Folge: Nach außen ist immer noch sie die finale Entscheiderin – und entspricht damit dem klassisch hierarchischen Führungsmodell des Unternehmens. Nach innen bespricht sie aber nahezu alle relevanten Themen mit ihrem Führungszirkel. Die drei

  • tauschen sich aus,
  • spielen verschiedenste Situationen durch,
  • geben sich Feedback über ihr Führungsverhalten und getroffene Entscheidungen,
  • reflektieren zusammen ihre jeweilige Wirkung auf die Mannschaft,
  • nehmen unterschiedliche Perspektiven ein und
  • bereiten sich gemeinsam auf herausfordernde Entscheidungen vor.

Meiner Klientin hilft die interne Rückendeckung dieses (verdeckten) Topsharing-Modells enorm. Sie formuliert: „Ich bekomme viel mehr ‚blinde Flecken‘ mit, auf die ich sonst gar nicht gekommen wäre. Der Hauptpunkt aber ist, dass wir wirklich gemeinsam als Führungsteam an der Spitze stehen. UNS macht das stark, wir sind zusammengeschweißt und haben eine viel größere Vorbildfunktion gegenüber den Mitarbeitern.

Herausforderungen von Joint Leadership

Den Vorteilen von Joint Leadership stehen auch eine ganze Reihe von Nachteilen gegenüber. Und damit meine ich nicht nur, dass zwei Top-Manager auf einem Posten erstmal bezahlt werden müssen.

Einige Nachteile ergeben sich aus den Herausforderungen, die mit dem Führen in Teilzeit einhergehen. Arbeiten im Rahmen des Topsharings zwei Top-Manager mit reduzierter Stundenzahl, setzt das außerordentliche Fähigkeiten bei Delegation und Priorisierung voraus.

Hinzu kommt: Bei einer Doppelspitze muss die Chemie des Führungsduos stimmen. Anderenfalls wird allzu schnell gegen- statt miteinander gearbeitet. Sind Verantwortlichkeiten und Kompetenzen nicht klar verteilt, kommt es schnell zu Hahnenkämpfen, die einem Unternehmen nachhaltig schaden können.

Wolfgang Krupp, alleiniger Inhaber des Familienunternehmens Trigema, brachte es schon vor einigen Jahren mit Blick auf die Unternehmensnachfolge in seinem eigenen Unternehmen auf den Punkt: „Eine Doppelspitze wird es nicht geben. Verantwortlichkeiten müssen klar verteilt sein, um Entscheidungen treffen zu können.

Tandempartner-Position in Aussicht? Sagen Sie nicht vorschnell zu

Man sollte meinen, dass wichtige Tandempositionen an der Unternehmensspitze nur nach reiflicher Überlegung und ausschließlich an eingespielte Teams vergeben werden. Aus meiner eigenen Zeit im Top-Management und aus über 30 Jahren Erfahrung im Führungskräfte-Coaching weiß ich aber: Das ist bei weitem nicht immer der Fall. Ein falsches Verständnis moderner Führung, der unausgegorene Versuch eine Spitzen-Position attraktiver zu machen oder machtpolitische Erwägungen bestimmter Vorstandsmitglieder können ebenso für die Installation eines Führungstandems verantwortlich sein.

Wird Ihnen eine entsprechende Stelle angeboten, ist daher zunächst ein gewisses Maß an Skepsis angeraten. Insbesondere dann, wenn Ihr Tandempartner nicht aus dem Kreis Ihrer engsten Vertrauten stammen soll.

Meine 4 Tipps für Top-Manager

Bevor Sie zustimmen, Teil eines Führungstandems im C-Level oder Vorstand zu werden, sollten Sie Ihrem Gegenüber auf den Zahn fühlen. Folgende Tipps, helfen Ihnen, Ihren Führungspartner besser einschätzen zu können.

  1. Versichern Sie sich, dass Ihr Partner in spe kein Mikromanager ist, und bereit ist, Dinge aus der Hand zu geben. Erkundigen Sie sich in Ihrem Netzwerk nach dessen Fähigkeiten im Delegieren. Sie brauchen unbedingt einen Teamplayer an Ihrer Seite.
  2. Leider gibt es im Top-Management nicht gerade wenige Blender, Selbstdarsteller und Narzissten. Eine echte Entlastung können Sie mit einer solchen Persönlichkeit im Führungstandem nicht erwarten. Umso wichtiger ist es, diese rechtzeitig zu erkennen.
  3. Sie müssen sich auf Ihren Führungspartner verlassen können. Das heißt: Sie müssen die Motive Ihres Gegenübers verstehen. Auch hier helfen Ihnen eine genaue Beobachtung und Ihr Netzwerk weiter.
  4. In der Doppelspitze sollte es immer darum gehen, was das BESTE im Sinne des Unternehmens ist. Bei Konflikten oder unterschiedlichen Ansichten sollten Sie sich daher zunächst immer fragen: „Wollen ich oder mein Führungspartner hier nur unser EGO durchdrücken? Oder wollen wir im Großen und Ganzen etwas im Interesse des Unternehmens wuppen?“ Dieser Perspektivwechsel hilft auch immer wieder, eine „Meta-Position“ einzunehmen und sich nicht im Klein-Klein oder operativen (Tages-)Geschäft zu verlieren.

Ein Tandempartner, der vor allem auf seinen eigenen Vorteil aus ist, eine Hidden Agenda hat und Machtspiele betreibt, schadet dem Unternehmen und kann zu Ihrer persönlichen Hölle werden. Ganz zu schweigen davon, dass er Ihre Position im Unternehmen nachhaltig schädigen kann. Denn wenn es hart auf hart kommt, waschen entsprechende Persönlichkeiten Ihre Hände gerne in Unschuld – und zeigen mit dem Finger auf Sie. Im Coaching sehe ich das leider immer wieder.

Lassen Sie sich daher nicht die Pistole auf die Brust setzen! Verlangen Sie im Bedarfsfall, Ihren Tandempartner zunächst kennenzulernen, bevor Sie eine Entscheidung treffen.

Was Sie vom Kolkraben lernen können

Wichtig ist, zu erfahren, ob Sie Ihrem künftigen Tandempartner Vertrauen können. Mein Tipp: Machen Sie es wie der Kolkrabe. Der kluge Vogel arbeitet immer wieder mit Artgenossen zusammen, ist aber zunächst äußerst misstrauisch. Er testet sein Gegenüber systematisch – beispielsweise indem er vor dessen Augen Futter vergräbt, und im Anschluss aus einem Versteck heraus das Verhalten des Artgenossen beobachtet. Stiehlt dieser das Futter, hat er sich als möglicher Kooperationspartner disqualifiziert.

Fazit: Erfolgreiches Topsharing erfordert den Blick ins Detail

Jedes Unternehmen ist anders. Für die eine Firma können Führungstandems der Weg zum Erfolg sein, für die andere der Beginn einer unbeständigen Führungsphase mit häufigen Kurswechseln, die viel verbrannte Erde hinterlasst. Ob sich eine geteilte Führung auf C-Level-Ebene wirklich sinnvoll verwirklichen lässt, hängt daher maßgeblich von den Führungskräften, den Anforderungen des Jobs und den Unternehmensstrukturen ab. Wichtig: Werden Sie für eine Co-Leitung angefragt, sollten Sie Ihrem Tandempartner in spe gründlich auf den Zahn fühlen. Denn eine Doppelspitze, die von Misstrauen und Konkurrenzdenken geprägt ist, wird über kurz oder lang teuer. Für Sie und für Ihr Unternehmen.

Herzliche Grüße

Gudrun Happich

Gudrun Happich

PS: Sie möchten in Ihrem Unternehmen ein Führungstandem einführen oder wurden selbst für eine Position im Topsharing-Modell angefragt? Dann kontaktieren Sie mich unter info@galileo-institut.de – und wir erarbeiten gemeinsam Potenziale, Risiken und Best Practice.

Bildquelle:  wolfhound911 / stock.adobe.com

Executive-Coach Gudrun Happich schreibt auch bei
CIO Magazine
Harvard Business Manager