Der Leistungsträger - Blog

Viele Top-Führungskräfte – vom C-Level über den Vorstand bis zum Geschäftsführer – konnten im Zuge der Corona-Krise Erfahrungen mit Remote Leadership sammeln. Aber auch nach mehr als zwei Jahren Pandemie bringt diese, für viele Top-Manager neue, Art des Führens noch immer viele Probleme mit sich. Als „alter Hase“ in Sachen Führen auf Distanz möchte ich Sie in diesem Beitrag daher an meinen ganz persönlichen Erfahrungen teilhaben lassen. In diesem Artikel lesen Sie

Führen auf Distanz – ein Zukunftsstandard

Die Corona-Krise und der damit verbundene Zwang zum Homeoffice ließ viele C-Level, Vorstände und Geschäftsführer über einen längeren Zeitraum hinweg erstmals Erfahrungen mit Distance Leadership sammeln. Aller Herausforderungen und Fallstricken zum Trotz ist nach mehreren Pandemie-Jahren klar: Führen auf Distanz – also virtuelle Teams erfolgreich führen – wird zur neuen Normalität werden. Während einige Top-Manager in dieser Arbeitsweise schon echte Profis geworden sind, tun sich andere noch schwer damit, virtuelle Teams zu führen. Grund genug für mich, Ihnen an dieser Stelle meine persönlichen Erfahrungen mitzuteilen – immerhin habe ich virtuelle Teams schon vor über zwei Jahrzehnten erfolgreich geführt.

Führen auf Distanz: Ein Erfahrungsbericht jenseits von Corona

Gerne steuere ich hier einen realen Erfahrungsbericht bei. Ein Erfahrungsbericht, der sich nicht um Corona dreht. Ein Erfahrungsbericht, wie Führen auf Distanz gelingt – auch jenseits von moderner Technik. Ein Erfahrungsbericht, der zeigt, dass Führen auf Distanz auch über einen langen Zeitraum funktioniert – über viele Jahre hinweg.

Bereits vor mehr als 20 Jahren war ich als Mitglied der Geschäftsleitung für ca. 1.000 Mitarbeiter verantwortlich. Diese Mitarbeiter waren über den gesamten Raum DACH verteilt. „Damals“ gab es noch nicht mal virtuelle Konferenzen. Die Technik war im Vergleich zu heute steinzeitlich. Gleichzeitig waren meine Mitarbeiter viel auf sich allein gestellt. Die Mitarbeitermotivation war daher eines meiner Kernthemen, um Gefühle der Isolation oder des Abgehängtseins zu vermeiden.

Meine 5 Erfolgsprinzipien des Distance Leaderships

Meine Verantwortung als Mitglied der Geschäftsleitung: Ich war für die Ergebnisse des Unternehmens verantwortlich. Dafür brauchte ich ein motiviertes Team, Mitarbeiter, die mitdenken, Verantwortung übernehmen und wissen, dass alle an einem Strang ziehen.

Ich stand vor der Herausforderung: Wie führe ich virtuell meine Mitarbeiter? Wie stelle ich beim Führen auf Distanz sicher, dass die Ergebnisse stimmen? Ich probierte mehr als viel aus. So manches stellte sich als unsinnig heraus, manches erwies sich als hervorragende Methode. Von diesen „Erfolgsprinzipien“ berichte ich gerne.

1. Kontinuierlicher Kontakt

So wie man in einem Unternehmen oder Büro mal so eben „Hallo“ sagt, oder auch mit einem wertschätzenden Blickkontakt dem Mitarbeiter zeigt, dass man ihn wahrgenommen hat, genauso braucht es diese Geste auch im virtuellen Raum. Nicht lange, aber kontinuierlich.

Damals war es so, dass wir uns täglich eine kurze SMS schickten. So als „Lebenszeichen“. Z.B. „Schönen guten Morgen, freue mich auf das Meeting mit xy gleich“, oder „Wie geht es Deiner Erkältung heute? Kopf hoch!“ Sie zeigen Ihrem Mitarbeiter, dass Sie an ihm ehrlich(!) interessiert sind.
Zudem hatte ich mit jedem Mitarbeiter ein exklusives 1:1-Zeitfenster pro Woche vereinbart. Mindestens eine halbe Stunde, maximal eine Stunde. Das war SEINE Zeit und galt SEINEN Belangen.

2. Meetings mit Struktur

Diese Meetings – damals konnte man ausschließlich am Telefon virtuelle Teams führen – hatten immer die gleiche Struktur:

  1. Kurzer Smalltalk, um „warm“ zu werden.
  2. Frage – was hattest Du Dir von letzter Woche zu heute vorgenommen?
  3. Was hat geklappt?
  4. Was hat noch nicht geklappt?
  5. Was nimmst Du Dir für die nächste Woche vor?
  6. Was brauchst Du von mir?

Im Grunde eine Struktur, die den heutigen Stand-Up-Meetings gleicht.
Diese Meetings hatten den Vorteil, dass sie stets den gleichen Ablauf hatten. Der Mitarbeiter kann sich vorbereiten, die wichtigsten Punkte kommen auf den Tisch.

Punkt 2 und 3 dienten auch der „Mitarbeiterbetreuung und -bindung“. Das bedeutet, ich lernte den Mitarbeiter in seinem „virtuellen“ Verhalten immer besser kennen. Wenn sein aktuelles Verhalten nicht zu seinem „Standardverhalten“ passte, klingelten bei mir sofort die Ohren. Ich wusste, dass etwas „anders“ war und nutzte dies als „außerplanmäßigen“ Anlass meiner Führungsverantwortung nachzukommen und nachzuhören. Es zeigte sich, dass ich nahezu immer wusste, wenn einer meiner Mitarbeiter in einem Motivationsloch oder von etwas anderem abgelenkt war. Diese Information bietet dann sofort die Möglichkeit aktiv zu werden. Meine Erfahrung zeigt: Wenn ich mich für meine Mitarbeiter interessiere, dann bekomme ich online sehr viel von ihnen mit. Dafür braucht es nicht notwendigerweise den offline Kontakt.

3. Spielregeln

Dies war einer der wesentlichen Punkte meiner Art der Führung auf Distanz. Die wichtigsten Spielregeln lauteten:

  1. Die vereinbarte Zeit ist exklusiv für den Mitarbeiter. In dieser Zeit ist ER die wichtigste Person auf der Welt.
  2. Störungen von außen werden zu dieser Zeit ignoriert.
  3. Der Mitarbeiter ist verantwortlich, sich in dieser Zeit zu melden. Ja, richtig gelesen. Die Aktivität ging vom Mitarbeiter aus.
  4. Rief er zu früh an oder wollte er die Gesprächszeit verlängern, habe ich dies unterbunden.
    Warum? Zum einen aus Rücksichtnahme auf die anderen Mitarbeiter, die schon auf Ihren Zeit-Slot warteten. Zum anderen aber auch, um den Mitarbeiter an Grenzen zu gewöhnen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es immer die „gleichen“ Mitarbeiter waren, die versuchten eine „Sonderlocke“ zu erheischen. Doch in so einem komplett virtuellen Führungsraum können Sie der Führungsherausforderung nur gerecht werden, wenn sich alle an die gleichen Regeln halten. Das ist Ihr „Führungsstandard“.
    Erst wenn diese Grundlagen gelegt sind, kann man über die zusätzlich individuellen Führungsmöglichkeiten nachdenken.
4. Vertrauen ist ein MUSS beim virtuellen Führen

Natürlich hatte ich mir damals auch Gedanken gemacht „kann ich dem Mitarbeiter trauen, vielleicht missbraucht er ja die Freiheitsgrade“. Ehrlich gesagt, diese Gedanken entpuppten sich ruckzuck als kontraproduktiv.

Als stellte ich sie ab und baute auf Vertrauen.

Meine Erfahrung ist: Misstrauen vergiftet eine virtuelle „Beziehung“. Orientieren Sie sich einfach an den Ergebnissen, die der Mitarbeiter bringt. Und wenn Ergebnisse nicht so ausgefallen sind, wie Sie das besprochen hatten? Fragen Sie nach den Hintergründen (nein, nicht nach den Ausreden fragen!). Sie bekommen innerhalb kürzester Zeit ein eindeutiges Gefühl dafür, ob die Worte den Taten, sprich dem Verhalten, entsprechen. Falls ja, gibt es keinen Grund für „chronisches“ Misstrauen.
Passen die Worte nicht zu den Taten, dann haben Sie ein ganz anderes Problem und dürfen handeln.

Übrigens: Noch mehr zur Rolle des Vertrauens im Zusammenhang mit Distance Leadership lesen Sie im verlinkten Fachbeitrag des Revier Managers, an dem auch ich beteiligt war.

5. Nehmen Sie es nicht persönlich

Wenn Sie virtuelle Teams führen und möglicherweise über einen langen Zeitraum nicht sehen (können), wird der kontinuierliche Kontakt auch vielfach über Mail – also schriftlich erfolgen.
Hier macht es Sinn mit den Mitarbeitern ebenfalls „Netiketten“ zu vereinbaren. Also z.B. kurze Mails, schnell auf den Punkt kommen. Bitte keine cc-Massenverteiler usw.

Nehmen wir mal an, das klappt soweit auch ganz gut, aber ab und an… fühlen Sie sich angegriffen, nicht richtig verstanden, übergangen oder was auch immer. Auf jeden Fall baut sich ein negatives Gefühl in Ihnen auf.

Die wichtigste Regel ist in so einem Falle: Nehmen Sie es nicht zu persönlich. Worte sind Worte und machen ca. 7 % der Kommunikation aus. Daher bekommen wir schriftliche Formulierungen schnell mal in den falschen Hals.

Stattdessen: Nehmen Sie Ihren Unmut wahr und atmen Sie tief durch, bevor Sie antworten. Sollte es nach dem zweiten E-Mail-Austausch immer noch in Ihrem Magen grummeln, greifen Sie bitte zum Hörer. Bitte keine Mails mehr. Stattdessen sprechen Sie mit der betreffenden Person.

Hier kann die erste Frage lauten: „Sie haben xy formuliert. Das ist bei mir so und so angekommen, wie war es gemeint?“ – sprich Sie fragen nach, was und wie es der andere gemeint hat. Und beim Sprechen am Telefon werden schon weitere 38 % mehr an Kommunikation weitergereicht. Wenn Sie jetzt eine virtuelle Konferenz einberufen, sehen Sie Ihr Gegenüber sogar und können auf insgesamt 100 % Kommunikation kommen:

7 % Worte + 38% Tonfall + 55% Körpersprache = 100 % Kommunikation

Fazit

Gute Zusammenarbeit kann auch virtuell sehr gut funktionieren. Führen auf Distanz ist neben der Methode vor allen Dingen eine Frage der Haltung. Als Führungskraft sind Sie gefordert Ihr Team zu führen und zu Ergebnissen zu bringen. Mir hat es damals sehr viel Spaß gemacht und ich konnte das Unternehmen zu sehr guten Ergebnissen führen.

Mit der heutigen Technik ist das Führen auf Distanz ungleich leichter. Die Erfolgsprinzipien bleiben allerdings bestehen. Führen auf Distanz oder auch virtuell Teams führen halte ich seither für eine Basiskompetenz einer Führungskraft. Wahrscheinlich wird sie in Zukunft zum „Führungsstandard“ werden.

100 % Führen auf Distanz – Es funktioniert!

Seit über 20 Jahren bin ich Unternehmerin und begleite als Executive Coach, Mentorin und Sparringspartnerin Geschäftsführer und C-Levels. Und in meinem eigenen Unternehmen habe ich natürlich auch Mitarbeiter, bzw. Dienstleister.

Ich lege ganz besonderes Augenmerk auf Profis mit hoher Sozialkompetenz und Persönlichkeiten, die zu mir passen. Dabei ist es mir egal, ob die in Köln sitzen oder nicht. Hauptsache sie sind gut.
So hat es sich ergeben, dass ich in einigen Fällen zu 100 % auf Führen auf Distanz zurückgreife.

Ich bin sehr stolz darauf, dass ich mit meinen besten Dienstleistern bereits seit über 10 Jahren erfolgreich zusammenarbeite. In dieser Zusammenarbeit gibt es eine Besonderheit: Wir haben uns noch nie im realen Leben getroffen und gesehen. Alles läuft virtuell und sehr zur beidseitigen Zufriedenheit. Vertrauen und gute Ergebnisse müssen nicht mit persönlichem Treffen verbunden sein, auch wenn es natürlich schöner ist.

In diesem Sinne: Führen auf Distanz ist eine Führungskompetenz, die zu Ihrem Führungsrepertoire zählen sollte.

Sie hören lieber?

Hier geht es zur passenden Podcast-Folge:

Führen auf Distanz und aus dem Homeoffice: Wie Sie erfolgreich virtuelle Teams führen | RAUS AUS DEM HAMSTERRAD #28

Herzliche Grüße

Gudrun Happich

Gudrun Happich

PS: Sie kämpfen mit ganz individuellen Herausforderungen des Führens auf Distanz und haben das Gefühl, virtuell nicht das volle Potenzial Ihres Teams ausschöpfen zu können? Dann kontaktieren Sie mich unter info@galileo-institut.de – und wir loten gemeinsam Möglichkeiten aus, wie Distance Leadership auch für Sie funktioniert!

Foto von Anna Shvets von Pexels

Executive-Coach Gudrun Happich schreibt auch bei
CIO Magazine
Harvard Business Manager