Der Leistungsträger - Blog

Transformationen und Change-Management-Projekte gehören zu den ganz großen Aufgaben im C-Level. Und sie sind eine der größten Quellen für Unzufriedenheit. Das höre ich von Führungskräften und Klienten immer wieder. Müsste ich die verärgerten bis verzweifelten LinkedIn-Nachrichten aufzählen, die ich Jahr für Jahr bekomme, könnte ich ein ganzes Buch füllen. Der Grund: Nicht selten starten Change-Projekte unter ungünstigsten Voraussetzungen oder sind – z.B. weil der Wandel in der Chefetage gar nicht wirklich gewollt ist – von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Aber es gibt auch gute Nachrichten. Mit dem richtigen Mindset, Unterstützung und der passenden Strategie können auch herausfordernde Change-Projekte gelingen.

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Wie viele Change-Prozesse scheitern?

Digitalisierung, Krisen, Kulturwandel, New Work und neue Arbeitsmodelle, Globalisierung, Nachhaltigkeit: Der Wandel gehört zur DNA langfristig erfolgreicher Unternehmen. Um in unserer hochgradig vernetzten, schnelllebigen Welt wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Transformationsprozesse dabei immer schneller bewältigt werden. Umso erschreckender ist es, dass die Transformation im Unternehmen oft nur langsam vorankommt. Wie eine McKinsey-Studie zeigt, scheitern sogar 70 Prozent aller Change-Projekte oder werden nach 1,5 Jahren eingestellt.

Change-Management: Warum scheitern Change-Projekte?

Verantwortlich dafür, dass so viele Change-Projekte scheitern, sind in erster Linie zwei Gründe. Entweder ist der (aktive oder passive) Widerstand der Mitarbeiter so groß, dass die Transformationen nicht umgesetzt werden können. Oder das Management spielt nicht mit und unterstützt die Umsetzung von Innovationen nur unzureichend. Letzteres ist deutlich häufiger ein Problem als man vermuten könnte. Denn tatsächlich predigen viele mächtige Unternehmenslenker den tiefgreifenden Wandel. In Wahrheit aber soll der Status quo unter neuen Vorzeichen erhalten, sprich doch irgendwie alles beim Alten bleiben. Das höre ich in meinen Coachings immer wieder. Und ich stehe mit dieser Erkenntnis nicht allein da.

Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung kommen auch Philosoph Richard David Precht und Moderator Markus Lanz in ihrer 72. Podcastfolge. Die These: bei dem Treffen der Politik- und Wirtschaftselite auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos geht es unter anderem genau darum, Wege zu finden, wie die alte Weltordnung/die alten Spielregeln unter sich verändernden Vorzeichen weitergehen können. Hinter der beschworenen Change-Mentalität steht also oftmals der (un)bewusste Wunsch, das Alte möglichst zu erhalten.

Ein passender O-Ton eines meiner ehemaligen Klienten:

Letztendlich ist es so, dass sich die Beharrungskräfte im Unternehmen durchsetzen konnten und die Kalender dort auf das Jahr 2017 zurückgedreht wurde. Nachdem mein CEO mein Chief HR, Chief Sales,… alle gehen mussten, und somit nur noch eine Person das Sagen hat. Ich selbst bin, wie man so schön sagt, in Transition.

Erfolgreiche Veränderung aber kommt von innen – nicht von außen. Das heißt: Die Unternehmensspitze muss unbedingt mit an Bord sein und den Transformationsprozess aktiv unterstützen. Und auch die Mitarbeiter müssen die Notwendigkeit des Changes verstehen und dürfen von einer Führungskraft nicht zu diesem gedrängt werden. Dass das eine sehr besondere Herausforderung ist und viel Kraft und Nerven kosten kann, ist offensichtlich.

Fallbeispiel: Wenn sich der Vorstandsvorsitzende nicht engagiert

Ein Vorstandsvorsitzender sagte tatsächlich einmal zu mir:

Der Technik-Vorstand soll das einfach mal machen mit der Transformation. Alles auf Links drehen, sodass wir als Unternehmen nicht den Anschluss verlieren. Prinzipiell hat er freie Hand – solange er mich in Ruhe lässt und ich mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern kann.

Der Vorstandsvorsitzende wird sich definitiv NICHT ändern. Wasser predigen und Wein trinken also. Meiner Erfahrung nach ist das kein Einzelfall – sondern die Regel.

Wie umgehen mit einem solchen Vorgesetzten? Das Change-Projekt hinwerfen und das Unternehmen wechseln? Tatsächlich entscheiden sich viele Top-Führungskräfte zunächst für diese Option.

Die haben mich eingestellt für Change, aber keiner wollte Change. Dann bin ich gegangen.

Hinweise wie diese bekomme ich bei LinkedIn immer wieder. Die Frage ist nur: Wie häufig wollen Sie noch wechseln?

Die doppelte Transformation

Wer eine neue Rolle im C-Level antritt, wird in der Regel angestellt, um Veränderungen anzustoßen und Unternehmen erfolgreich durch Transformationsprozesse zu führen. Was vielen C-Level dabei zu Beginn nicht klar ist: Sie durchlaufen in ihrer neuen Rolle eine doppelte Transformation. Zum einen ist da natürlich das Gestalten von unternehmensseitigen Veränderungen, für das sie eingestellt worden sind. Häufig vergessen, im Kern aber noch wichtiger, ist allerdings der innere, persönliche Wandel. Immerhin gilt es in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren eine ganz neue Unternehmenskultur zu verinnerlichen, sich selbst an neue Rahmenbedingungen anzupassen, Machtgefüge zu verstehen, politisch agieren zu lernen, eigene Projekte anzustoßen und persönlich zu wachsen. Die innere und äußere Transformation parallel zu wuppen ist ein echtes Mammutprojekt.

Change-Verantwortliche im C-Level müssen begleitet werden

Um zu verhindern, dass Change-Projekte scheitern, ist es unabdingbar, dass Change-Manager diese doppelte Transformation meistern. Im besten Fall wird ihnen hierzu ein erfahrener Coach und Sparringspartner an die Seite gestellt. Gut zu wissen: Die C-Level-Transformation ist der Kern meines Führungskräfte-Coachings, mit dem ich C-Level schon seit rund 3 Jahrzehnten fit für ihre Aufgaben mache.

8 Tipps, wie Ihre Change-Projekte gelingen

Um die Transformation eines Unternehmens voranzutreiben, ist der Wille zur Veränderung bei Entscheidern und Mitarbeitern essenziell. Mit den folgenden Tipps holen Sie Schritt für Schritt ALLE Akteure ins Boot – und stellen sicher, dass Sie auch selbst am Ball bleiben.

  1. Gehen Sie mit Widerständen richtig um.
    Egal, ob Ihre Mitarbeiter oder das Management nicht mitspielen: Widerstände sollten Sie niemals mit „Druck“ versuchen aufzulösen – denn dann sind sie schlicht nicht nachhaltig. Selbst bei guten Ergebnissen halten Sie Ihre Kündigung schneller in den Händen als Ihnen lieb ist. Oder wie es ein Direktor in einer Mail an mich formulierte: „Ich setze um, was mir der Chef sagt, ich erreiche Ergebnisse, aber ich bekomme schlechtes Feedback. Statt Lob erhalte ich eine Watsche.“ Ein anderer Interessent erhielt, nachdem er ein Wichtiges Projekt in Windeseile geräuschlos umgesetzt hatte, sogar die fristlose Kündigung. Warum ist das so? Weil im C-Level mehr als anderswo eine gute Beziehung zu Entscheidern und Stakeholdern zählt. Ohne diese werden Sie Change-Projekte mittel- und langfristig nicht durchsetzen können. Sich „nur“ auf gute Ergebnisse zu konzentrieren, reicht eben nicht aus. Und Veränderungen „gewaltsam“ durchzudrücken, geht fast immer schief. So entsteht bei vielen Leistungsträgern der Eindruck „Macher werden ausgebremst!“
  2. Denken Sie den technischen UND adaptiven Wandel mit.
    Oft wird Transformation (insb. die digitale) schlicht als technisches Problem gesehen. Tatsächlich ist Wandel aber immer auch ein adaptives Problem. Das heißt: Die Veränderungen müssen von den Mitarbeitern umgesetzt und gelebt werden – und das ist weitaus schwieriger als die Implementierung eines neuen Systems. Stellen Sie daher sicher, dass Ihr Fokus auf der Bewältigung des adaptiven Wandels liegt.
  3. Kommunizieren Sie ehrlich und positiv.
    Eine nachhaltige Veränderung ist nur möglich, wenn Sie von Beginn an mit offenen Karten spielen. Informieren Sie Ihre Mitarbeiter daher rechtzeitig über anstehende Änderungen – und stellen Sie sicher, dass sie diese gemeinsam bewältigen können.
  4. Fokussieren Sie sich auf den Gewinn – nicht auf den Aufwand.
    Eine Transformation ist immer eine Herausforderung. Aber nicht nur der Aufwand, auch der Gewinn ist hoch. Das Ergebnis, auf das Sie hinarbeiten, sollte bei Ihren Mitarbeitern ebenso wie bei Ihren Vorgesetzten immer präsent sein. Denn im Regelfall übersteigt der zu erwartende Gewinn den zu investierenden Aufwand um ein Vielfaches.
  5. Seien Sie Lokführer – und nicht Kontrolleur.
    Change-Projekte scheitern, wenn sie als Hauruck-Aktion und unter Druck durchgeführt werden. Schlüpfen Sie daher am besten in die Rolle des Lokführers. Stellen Sie klar, dass Ihr Transformationszug mehrmals anhalten und neue Passagiere begrüßen wird. Wer jetzt noch nicht einsteigen möchte, kann das zu einem späteren Zeitpunkt tun. Dabei verzichten Sie auf Kontrollen oder Sanktionen (immerhin sind Sie kein Schaffner). Über kurz oder lang dürfte Ihr Zug immer voller werden. Immerhin arbeiten die ersten zufriedenen Fahrgäste bereitwillig als Multiplikatoren für Ihre Vision – und das ganz ohne Druck.
  6. Holen Sie alle Akteure ins Boot – auch an der Spitze.
    Überzeugen Sie das träge Management davon, dass die anstehende Transformation notwendig ist. Binden Sie die Entscheider ein und machen Sie die Transformation zum gemeinsamen Interesse. Dieser Schritt ist wichtig und wird von Change-Managern sehr häufig unterschätzt. Die Erfahrung zeigt aber: Sobald die Transformation auch zum Erfolg und zur Reputation der Entscheider beiträgt, wird Ihr Zug Fahrt aufnehmen.
  7. Achten Sie während der Transformation auf Ihre eigenen Bedürfnisse.
    Das Vorantreiben von Transformationsprozessen kann für Change-Verantwortliche sehr belastend sein. Achten Sie daher unbedingt auch auf Ihre eigenen Bedürfnisse – und sprechen Sie mit vertrauten Menschen (Mentoren, Freunde, Familienmitglieder, Coaches) über Dinge, die Sie belasten.
  8. Behalten Sie den Überblick.
    Angesichts der vielen Fronten, an denen Sie kämpfen, ist es wichtig, den Überblick zu behalten, immer mal wieder das große Ganze ins Auge zu fassen und Klarheit zu gewinnen. Das gilt insbesondere für Leistungsträger, die erfahrungsgemäß oft in die „Fokus-Falle“ tappen.

Fallbeispiele: Wie Transformation im Unternehmen gelingen kann

Dass es Leistungsträger schaffen, Change-Projekte trotz aller Widrigkeiten erfolgreich umzusetzen, sehe ich in meiner Coaching-Praxis immer wieder. Zum Abschluss möchte ich zwei Fallbeispiele näher beleuchten. Beide Klienten schafften es im Rahmen unseres Coachings, die Transformation in Ihrem Unternehmen nachhaltig voranzutreiben.

1.) Lukas M. – der Marathon-Läufer

Lukas M. war eigens angestellt worden, um Innovationen im Unternehmen voranzutreiben. Kurz: Um die Transformation zu wuppen. Nun sollte man meinen, dass das Unternehmen Change-Prozessen grundsätzlich aufgeschlossen gegenübersteht und die Umsetzung entsprechender Veränderungsprozesse nach Kräften unterstützt. Das war auch die Erwartungshaltung, die Lukas hatte. Schnell zeigte sich allerdings: Der Vorstandsvorsitzende hatte gar nicht im Sinn, Lukas den Rücken zu stärken. Im Gegenteil, er wollte so wenig wie möglich in den Transformationsprozess involviert werden.

Lukas stand nun vor der Mammutaufgabe nicht nur sein Team, sondern auch den Vorstand von den notwendigen Veränderungen zu überzeugen – und das ohne Unterstützung von oben. Statt innerlich zu kündigen, entschloss er sich dazu, die Transformation auf seine Weise durchzusetzen. Mit dem Wissen, dass dies ein Marathon und kein Sprint werden würde, arbeitete er unermüdlich daran, die Menschen in seinem Unternehmen abzuholen. Er redete mit Mitarbeitern und Stakeholdern, überzeugte seine Peers und – ganz wichtig – holte auch die Entscheider ins Boot. Indem Lukas sukzessive das Vertrauen seiner Vorgesetzten gewann, sie in Lösungsprozesse involvierte und die Transformation zum gemeinsamen Interesse des Vorstands und des Vorstandsvorsitzenden machte, wurde das Transformationsergebnis plötzlich zum Reputationsfaktor für diese. So verwandelte er die Unternehmensspitze in aktive Unterstützer. Damit war der Hauptgrund, warum Change-Projekte scheitern, ausgeräumt. Und tatsächlich: Da der Erfolg der Entscheider nun von Lukas Erfolg abhing, stärkten diese ihm bestmöglich den Rücken. Wenig überraschend: Die für das Unternehmen so dringend notwendige Transformation gelang.

2.) Thomas Neumann – der Transformationszug

Ein weiteres herausragendes Beispiel für eine gelungene Transformation ist der im IT-Bereich tätige Group CTO und Geschäftsführer Thomas Neumann, mit dem ich kürzlich ein Könner-Interview führen durfte. Zu Beginn unseres Coachings stand Thomas gleich vor mehreren Transformationen. So strebte sein Unternehmen den baldigen Börsengang an und er selbst wollte sich fit für seine neuen Rollen im Vorstand und als Mitgeschäftsführer in diversen Firmen machen.

Im Laufe unseres Coachings erarbeitete sich Thomas die Strategien, um die anstehenden Change-Projekte erfolgreich umzusetzen – durch eine Verzahnung verschiedener Maßnahmen.

  1. Starkes Team:
    Im Zuge unserer gemeinsamen Arbeit lernte Thomas seine eigenen Stärken und Schwächen besser kennen. Eine Erkenntnis, die ihn dazu befähigte, seine engsten Mitarbeiter so auszuwählen, dass sie ihn selbst bestmöglich ergänzten. Er holte sich also genau die Leute ins Boot, die ihn in seinen Schwächen übertrafen und stellte so ein schlagkräftiges Team auf, das in der Lage war, herausfordernde Transformationsprozesse zu meistern. Dabei achtete er sowohl auf eine gemeinsame Wertebasis als auch auf genug Diversität, die erfahrungsgemäß zur effizienteren Problemlösung beiträgt.
  2. Vorbildfunktion:
    Thomas Hands-on-Mentalität kommt ihm in seiner Führungsrolle immer wieder zugute. Er schreckt nicht davor zurück, sich die Hände nass zu machen, und lebt den Wandel vor. Auf das Team wirkte diese Vorbildfunktion ungemein motivierend. Da bald alle an einem Strang zogen, ließen sich Change-Projekte viel leichter umsetzen.
  3. Multiplikatoren:
    Gerade zu Beginn legte Thomas einen gezielten Fokus auf Multiplikatoren im Unternehmen. Personen auf verschiedenen Ebenen also, die seine Werte teilten, und seine Vision weitertragen konnten. Auf diese Weise musste er selbst nur ausgewählte Mitarbeiter, Peers und Vorgesetzte überzeugen, hatte aber schon bald den größten Teil des Unternehmens hinter sich.

Das Herzstück der Transformation ist die Kommunikation“,

wie es Thomas im Interview so treffend formulierte. Er leistete daher unermüdlich Erklär- und Überzeugungsarbeit. Dabei agierte er, wie oben beschrieben, als „Lokführer“. In seinem Transformationszug drehte er zunächst eine Runde mit seinen Multiplikatoren – oder wie er es ausdrückt: seinen „Influencern“. Nach und nach stiegen allerdings immer mehr Mitarbeiter zu. Denn es wurde schnell klar: Die Transformation wird stattfinden und es gibt keinen Weg zurück. Irgendwann wurde aus der gemächlichen Lokomotive dann ein „Transformations-ICE“, dessen Passagiere die Transformation mit Höchstgeschwindigkeit und trotzdem ganz entspannt sitzend bewältigen.

Herzliche Grüße

Gudrun Happich

Gudrun Happich

PS: Sie müssen ein herausforderndes Change-Projekt wuppen – und ganz nebenbei auch noch in Ihre neue Rolle im C-Level finden? Dann kontaktieren Sie mich unter info@galileo-institut.de! Gemeinsam erarbeiten wir eine Strategie, wie die Herkulesaufgabe gelingen kann!

Bildquelle: Vanessa Garcia / Pexels

Executive-Coach Gudrun Happich schreibt auch bei
CIO Magazine
Harvard Business Manager