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Reflexion ist „in“. Für einige Führungskräfte ist tägliche Reflexion längst zum motivationsspendenden und richtungsweisenden Ritual geworden. Andere Führungskräfte halten Reflexionsfragen dagegen für esoterischen Humbug. Was stimmt denn nun?

Finden Sie für sich eine plausible Antwort. In diesem Artikel erhalten Sie 4 relevante Reflexionsfragen, die Ihnen helfen „auf Kurs zu bleiben“ und Ihren Erfolg um bis zu 25 % zu steigern.

In diesem Artikel finden Sie:

Was ist das eigentlich „Reflexion“?

Jeder redet drüber, aber sprechen wir überhaupt vom Selben? Bevor wir tiefer ins Thema einsteigen, halten wir uns noch einmal vor Augen, was Reflexion überhaupt ist: Wikipedia meint dazu folgendes:

Reflexion bedeutet etwas prüfendes und vergleichendes Nachdenken über sich selbst oder das eigene Verhalten, Überlegen (wenn es auf eine geistige Tätigkeit bezogen ist). Das zugehörige Verb ist reflektieren und steht für grübeln, durchdenken oder nachsinnen.

Beim Reflektieren handelt es sich also um einen GEISTIGEN Prozess. Wir denken nach. Und zwar über uns selbst.

Das ist wichtig, denn sicherlich kennen Sie auch, die „anderen“ Personen, die die meiste Zeit damit beschäftigt sind, über das Verhalten, genauer gesagt, über das Fehlverhalten der anderen nachzudenken. Das ist definitiv nicht mit Reflexion gemeint. Wenn Führungskräfte reflektieren, denken Sie also nicht über die Inkompetenz des Mitarbeiters nach, die Sie gerade einen Kunden gekostet hat. Sie überlegen vielmehr, wie Sie die Kompetenzen Ihrer Angestellten künftig stärken können.

Und was ist Selbstreflexion?

Wenn ich von Reflexion schreibe, meine ich immer auch Selbstreflexion – auch, wenn die Definition laut Wikipedia eine andere ist:

Selbstreflexion bezeichnet die Tätigkeit, über sich selbst nachzudenken. Das bedeutet, sein Denken, Fühlen und Handeln zu analysieren und zu hinterfragen mit dem Ziel, mehr über sich selbst herauszufinden. Dabei überschneiden sich die Themen Selbstreflexion, Reflexion (Philosophie) und Selbstbeobachtung.

Im Folgenden nutze ich die Begriffe „Reflexion“ und „Selbstreflexion“ synonym, obwohl wir meiner Ansicht nach, mit der Selbstreflexion näher beim Kern sind. Es geht nämlich um mich, mein Verhalten und die Schlüsse, die ich daraus ziehe. Dies ist ganz bodenständig und pragmatisch und hat mit Träumen oder Phantastereien nichts zu tun.

Achtung: Reflexion schreibt man mit „X“, Reflektion mit „K“ ist demnach ein Schreibfehler.

Reflexionsfragen – Warum und wieso?

Ja, was sind denn nun eigentlich Reflexionsfragen? Es sind im Grunde Fragen, die Sie sich selbst stellen. Ich formuliere es in meinen Führungskräfte-Coachings häufig so:

Stellen Sie sich im Geiste eine Frage und lauschen Sie, was da für Antworten kommen. Lassen Sie es einfach laufen, bzw. hören Sie Ihren eigenen Antworten zu.

Manchmal nenne ich es auch schlicht und ergreifend „rumdenken“. Das Wichtige ist dabei: Es ist kein konzentriertes, zielgerichtetes Denken. Es gibt sehr, sehr viele unterschiedliche Fragen mit unterschiedlicher Wirkung. In einem Artikel der Karrierebibel habe ich sogar 60 Reflexionsfragen gefunden. Aus meiner Sicht ein wenig viel. Sie verlieren dabei schnell den Überblick bzw. Sie wissen am Ende gar nicht mehr, über was Sie alles reflektiert also nachgedacht haben. Oftmals verpufft dann die positive Wirkung.

Das Ziel von Reflexionsfragen ist, sich bestimmten Phänomenen, Wechselwirkungen, Zusammenhängen, Verhaltensweisen oder auch Bedürfnissen bewusst zu werden. Sie gewinnen eine innere Klarheit. Diese Klarheit hilft Ihnen bei Ihrem zukünftigen (möglicherweise verändertem) Verhalten. Tja, und letztlich können Sie durch kontinuierlich geübte Selbstreflexion Ihre Führungskompetenz deutlich verbessern. Sie werden Ihre Ziele deutlich einfacher, leichter und auch zufriedener erreichen können. Sie glauben, das kann nicht sein? Dann lesen Sie gleich weiter unten im Abschnitt: Erfolgsquote von Reflexionsfragen.

Reflexionsfragen für Führungskräfte – 4 konkrete Beispiele

Ich arbeite schon seit mehr als 30 Jahren immer wieder mit Reflexionsfragen der unterschiedlichsten Art. Da ich mehr als neugierig bin, probiere ich ständig neue Fragen aus und beobachte, welche Wirkung sie sowohl bei mir als auch bei den Führungskräften, die ich coache, zeigen. Dabei sind für mich folgende Aspekte relevant:

  • Bringen sie mich nach vorne, lösen sie also eine relevante Handlung aus?
  • Sind sie vergangenheitsorientiert oder zukunftsorientiert?
  • Welche Sinne sprechen sie bei mir an?
  • Sind sie ganzheitlich oder eher sehr speziell und daher evtl. zu kleinteilig?

Immer wieder habe ich nach den BESTEN Reflexionsfragen Ausschau gehalten.

Die meiner Erfahrung nach 4 effektivsten Reflexionsfragen für Führungskräfte lauten:

  1. Was hat mich meinem Ziel nähergebracht?
  2. Was muss verbessert werden?
  3. Was habe ich gelernt?
  4. Wofür bin ich dankbar?

Warum mir dieser 4 kurzen, knackigen Reflexionsfragen so gut gefallen? Weil in ihnen nach meiner Erfahrung wirklich alles drin. Schauen wir uns die Fragen mal im Einzelnen an:

Was hat mich (heute) meinem Ziel nähergebracht?

Stellen Sie sich vor, dass Sie sich täglich diese Frage stellen und nach 5 Tagen fragen Sie sich ein wiederholtes Mal „welches Ziel?“ Spätestens jetzt wissen Sie: „Ich sollte mich mit meinem Ziel oder meinen Zielen beschäftigen“. Wo wollen Sie beruflich (aber auch privat) hin? Was wollen Sie in 1, 2 oder 5 Jahren erreicht haben? Wie können Sie Ihr Unternehmen diesen Zielen näherbringen? Passt das Tempo der Change-Projekte zu den gesetzten Zielen? Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter, am selben Strang zu ziehen?

Hierbei ist zu beachten, dass sich die Ziele ruhig verändern können. Sie haben ja i.d.R. unterschiedliche Ziele in unterschiedlichen Bereichen. Das entscheidende bei dieser Frage ist, dass Sie sich mit Ihren Zielen beschäftigen. Darüber hinaus ist es wichtig, dass Sie reflektieren welchen Schritt Sie bereits gegangen sind, und sei er noch so klein.

Sie tun sich einen Gefallen, wenn Sie Ihre Antworten aufschreiben. Sie werden nach einiger Zeit bemerken, dass Sie bereits eine große Wegstrecke gemeistert haben. Dieses Bewusstsein für die eigenen Erfolge verlieren wir nämlich häufig im täglichen Arbeitsturn. Diese zusätzliche Motivation verhilft Ihnen, leichter Ihre Erfolge zu sehen und an Ihren Zielen dran zu bleiben.

Fazit: Sie schärfen mit dieser Frage den Blick für Ihre Ziele und auch den Blick für die (vielen) kleinen Schritte.

Was muss verbessert werden?

Wie leben im Zeitalter der permanenten (Selbst-)Optimierung. Sie stellen sich diese Frage wahrscheinlich sowieso dauernd. Daher nehmen wir sie in den Fragenkatalog mit auf. Hapert es am Informationsfluss im Unternehmen? Haben einige Mitarbeiter oder ganze Abteilungen nur unzureichende Möglichkeiten der Beteiligung? Gibt es effiziente Möglichkeiten, Führungsverantwortung zu delegieren, um den eigenen Workload zu senken?

Bei dieser Reflexionsfrage dürfen Sie alles sammeln, was SIE selbst verbessern können. Das gilt auch für Prozesse, Arbeitsumgebungen oder Führungsmethoden.

Fazit: Sie haben die ein oder andere Optimierungsidee gewonnen.

Was habe ich heute gelernt?

Das ist eine der wirklich wichtigen Reflexionsfragen. Das möchte ich Ihnen gerne an einem Beispiel verdeutlichen:

Stellen Sie sich einmal vor, Sie hatten einen vergleichsweise guten Tag. Das meiste ist gut gelaufen, aber eine Sache war Mist. Woran werden Sie abends denken? Genau. In der Regel denken wir an das Negative, diese kleine Sache. Diese nehmen wir dann mit in den Schlaf. Ganz egal, ob Sie schlicht aus Stress, die Initiative eines engagierten Mitarbeiters unfreundlich im Keim erstickt haben, oder bei einem wichtigen Kunden in ein Fettnäpfchen getreten sind.

Es gibt eine Regel: Alles, was wir mit in den Schlaf nehmen wird größer. Können Sie sich vorstellen, wie Ihre Nacht nun verläuft? Genau, i.d.R. schlafen wir unruhig, wälzen uns hin und her, träumen schlecht, manchmal kommen jetzt sogar Alpträume hinzu. Am nächsten Morgen fühlen wir uns wie gerädert. Die Probleme sind größer als gestern.

Nun wird die Relevanz der Reflexionsfrage deutlich: Was habe ich heute gelernt?
Sie haben den gleichen Tag verbracht. Doch diesmal gehen Sie reflektiert vor. Sie denken an die missratene Situation und überlegen: Was habe ich heute gelernt? Was fällt Ihnen dazu ein? Vielleicht wird Ihnen bewusst, dass Sie Ideen Ihrer Mitarbeiter an stressigen Tagen nicht zwischen Tür und Angel abtuen, sondern in aller Ruhe besprechen sollten. Oder Sie erkennen, dass Sie Ihren Kunden in Folge einer unangenehmen Situation, ein Stückchen besser kennengelernt haben.

Es geht darum, dass Sie aus der unguten Situation die ersten Selbstreflexions- und Lernerfahrungen ziehen…. mit diesen Ideen gehen Sie schlafen.

Und auch jetzt bewahrheitet sich der Spruch: Alles, was Sie mit in den Schlaf nehmen wird größer. Probieren Sie es aus. Sie werden feststellen, dass Sie 1. deutlich besser schlafen 2. die ein oder andere konstruktive Idee am nächsten Morgen haben und 3. Sie auf jeden Fall deutlich positiver auf diese Situation blicken.

Fazit: Sie sparen nicht nur Zeit und verbessern Ihren Schlaf, sondern Sie werden für die Zukunft souveräner mit schwierigen beruflichen Situationen umgehen.

Wofür bin ich dankbar?

Oh, was für eine ungewöhnliche Frage. Während sich die ersten 3 eher an den Geist richten, also „echte“ Reflexionsfragen darstellen, richtet sich diese Frage an Ihre Sinne. Also das Gefühl, den Bauch, oder wie auch immer Sie es nennen wollen. Dazu ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung:

Es war mal ein Tag, an dem wirklich ALLES schiefging, wirklich ALLES. Meine Laune war entsprechend schlecht. Ich war gerade dabei, meine 4 Reflexionsfragen schriftlich zu beantworten und landete bei der Frage „wofür bin ich dankbar?“

Im ersten Moment fühlte ich mich ziemlich veräppelt. Bei so einem Tag, wie sollte ich da über irgendetwas dankbar sein? Ausgeschlossen.

Nun gibt es bei den Reflexionsfragen eine Regel: Jede Frage erhält eine Antwort. JEDE Frage.

So ein Mist… ich grübelte, mir schien nichts einzufallen. Eher aus Frust schaute ich von meiner „Arbeit“ hoch und schaute in den Himmel: Was war denn das? Ein wunderbarer Sonnenuntergang. So prächtig und eindrucksvoll, wie ich ihn schon lange nicht mehr gesehen hatte. Schon hatte ich meine Antwort. Hätte ich die Aufgabe: „Reflexionsfragen beantworten“ nicht gehabt, wäre mir an diesem Tag der wunderschöne Sonnenuntergang gar nicht aufgefallen. Diese Frage „Wofür bin ich dankbar?“ richtet den Blick auf die kleinen Dinge des Lebens – seien sie beruflicher oder privater Natur. Vielleicht eine grüne Ampel, die Sie gerade noch erwischt haben. Der Mitarbeiter, der Ihnen die Tür aufgehalten hat. Der Kunde, der ihren Ratschlag nicht nur angenommen, sondern gleich umgesetzt hat. Das Lächeln, das Sie in der Besprechung aufgeschnappt haben, oder…

Ihr Blick, bzw. Ihr Wahrnehmung fokussiert sich auf die „schönen“ Dinge, die „Kleinigkeiten“, die einfach so passieren, ohne Ihr Zutun und die wir in der täglichen Hast und Hektik häufig übersehen würden. Ihr Fokus ist auf den „Moment“ gerichtet.

Fazit: Sie schärfen Ihren Blick für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens. Oft sind es Kleinigkeiten.

Mit diesen 4 Reflexionsfragen sprechen wir sowohl die kopfmäßig analytische Ebene als auch die emotionale Ebene an. Gleichzeitig haben wir Ziele, Verbesserungsmöglichkeiten und auch das Lernen aus Fehlern berücksichtigt. Zudem finden wir die emotionale Ebene der Dankbarkeit. Daher hat mich alles Experimentieren und Ausprobieren mit unterschiedlichsten Fragen immer wieder zu genau diesen 4 Reflexionsfragen zurückgeführt.

Vielleicht finden auch Sie diese Fragen hilfreich und teilen meine Begeisterung.

Wann ist der beste Zeitpunkt für Reflexionsfragen?

Ideal ist es, die Reflexionsfragen regelmäßig zu beantworten – am besten schriftlich. Meinen Klienten empfehle ich diese 4 Reflexionsfragen täglich zu einer regelmäßigen Uhrzeit zu beantworten, z.B. abends vorm Zubettgehen. Notieren Sie die Antworten auf Ihre Fragen in ein kleines Erfolgstagebuch (DIN A5). Wichtig ist, dass jede Frage beantwortet wird. Dabei geht es nicht um die Ausführlichkeit oder Länge der Antwort, sondern um die Regelmäßigkeit. Nach ein wenig Übung kostet dies nur 5 Minuten Zeit. Das ist am Anfang wie Zähneputzen. Es ist anstrengend, mühsam und nervig. Doch wenn Sie diese Reflexionsfragen regelmäßig 3 Wochen lang beantwortet haben, ist es eher ein Ritual. Sie denken heute über das Zähneputzen ja auch nicht mehr nach, sondern machen es einfach, oder? Meine Klienten berichten regelmäßig, dass Sie viel bewusster durch Leben schreiten. Dass Ihnen Erfolge und Misserfolge schneller klar werden. Dass sie leichter und schneller Kurskorrekturen vornehmen können. Dass Ihnen insgesamt das (Berufs-)Leben deutlich leichter fällt.

Wenn Ihnen das zu aufwändig ist, dann machen Sie es wenigstens einmal pro Woche. Mindestens aber 2 x pro Jahr für ein paar Stunden. Zwischen den Jahren können Sie diese Fragen z.B. nutzen, um wirklich zur Ruhe zu kommen, Kraft zu schöpfen und Bilanz zu ziehen.

Erfolgsquote von Reflexionsfragen

Reflexionsfragen für Führungskräfte stellen sicher, dass ein einmal in Gang gesetzter Entwicklungsprozess präsent bleibt. Damit fördern Sie Ihre Selbstreflexion und halten die Intensität der z.B. im Coaching gewonnenen Erkenntnisse aufrecht, obwohl diese normalerweise im Arbeitsalltag schnell abflacht.
In einer wissenschaftlichen Studie fand Peter Behrendt vom Freiburg Institut heraus, dass der Erfolg einer Führungskraft durch Reflexionsfragen um bis zu 25 % gesteigert wird. Dies ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass Sie motivierter und fokussierter an Ihrem Prozess arbeiten, wenn Sie sich diese Reflexionsfragen regelmäßig stellen und schriftlich beantworten.

Fazit:

Reflektieren ist kein esoterischer Humbug, sondern ein wertvolles Instrument, um mit wenig Aufwand immer wieder den eigenen Kurs zu überprüfen. Dabei gilt es, mit wenigen effektiven Reflexionsfragen die Ist-Situation zu überprüfen. Sie haben meine 4 besten Reflexionsfragen kennengelernt. Ich hoffe, Ihnen gefallen die Fragen genauso gut wie mir und sie helfen Ihnen auf Ihrem Führungsweg.
Nehmen Sie sich immer wieder Zeit zum Reflektieren und justieren Sie gegebenenfalls Ihren Kurs.

Herzliche Grüße

Gudrun Happich

Gudrun Happich

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Foto: Depositphotos #24439887 ©kantver

Executive-Coach Gudrun Happich schreibt auch bei
CIO Magazine
Harvard Business Manager