Der Leistungsträger - Blog

Fragen Sie sich auch manchmal wie Sie komplexe Probleme wirksamer lösen, schwierige Entscheidungen leichter treffen, oder auch Veränderungen leichter voranbringen können?
Die heutige Arbeitswelt wird immer komplexer, die Digitalisierung trägt einen großen Teil dazu bei. In diesem Artikel lesen Sie, wie Sie das System „Wurzelraumanlage“ nutzen können um vernetztes Denken zu verstehen. Sie erfahren wie Sie vernetztes Denken in Ihrem Alltag konkret anwenden können.

Warum ist vernetztes Denken wichtig?

Immer wieder ist zu beobachten, dass Projekte scheitern, Strategien fehlen, Wirkungen unterschätzt werden, usw. Die IFIDZ-Meta-StudieFührungskompetenzen im digitalen Zeitalter“ hat untersucht welche Kompetenzen Führungskräfte benötigen, um im Zeitalter der Digitalisierung erfolgreich führen zu können. Insgesamt hat sie 86 Führungskompetenzen ausfindig gemacht.

Hierbei unterschieden sie zwischen analogen Kompetenzen, also Kompetenzen, die auch schon vor dem digitalen Zeitalter relevant waren, analogitalen Kompetenzen, also Kompetenzen, die zwar auch schon vor dem digitalen Zeitalter bekannt waren, jetzt allerdings an Relevanz zunehmen bzw. sich verändern und digitalen Kompetenzen, also Kompetenzen, die vor dem digitalen Zeitalter noch nicht existierten oder kaum eine Bedeutung hatten, aber nun signifikant an Relevanz gewonnen haben.

Bei insgesamt 31 von den 86 Kompetenzen würde ich meinen, dass die Grundlage dafür vernetztes Denken und Handeln ist. Allen voran ist es wichtig für Veränderungsfähigkeit, Innovationsfähigkeit, strategisches Denken, Netzwerkfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit, ganzheitliches Denken, Agilität, Komplexitätsmanagement und Problemlösefähigkeit.

Die Schlussfolgerung liegt nahe, dass vernetztes Denken und Handeln damit eine der Schlüsselkompetenzen für das digitale Zeitalter ist.

Vernetztes Denken – was ist das eigentlich?

Bevor es kompliziert wird, starte ich mit einer einfachen Formulierung, die das Wesentliche auf den Punkt bringt: „Mehr als einer sind schuld“.

Es geht um die Fähigkeit eine Situation als Ganzes zu betrachten, viele unterschiedliche Sichtweisen, die (Wirk-)Zusammenhänge und Abhängigkeiten gleichzeitig zu berücksichtigen und dies dann in Handlungskonzepten zu integrieren. Damit lösen wir uns vom klassischen Ursache-Wirkungs-Denken.

Das fällt vielen Menschen erst einmal recht schwer, sind wir doch auf das „lineare Denken“ sehr trainiert. Dieses Ursache-Wirkungs-Denken funktioniert häufig recht gut bei einfachen Systemen, wie z.B. beim Öffnen einer Tür. Sobald viele Einflussfaktoren existieren, funktioniert es nicht mehr.

Insbesondere im Umgang mit Menschen – die ja nun mal Lebewesen sind – haben wir es immer mit einem Beziehungsgeflecht zu tun. Wir haben quasi ein „komplexes lebendes System“ und mit dem vernetzten Denken oder auch ganzheitlichem Denken können deutlich mehr Schlussfolgerungen und HandlungsIdeen entwickelt werden. Hieraus können eine Vielzahl von Handlungs- oder Entscheidungsoptionen abgeleitet werden.

Wichtiger als die Frage nach der Kausalität wird also die Frage, was aufeinander wie Einfluss nimmt und welche Wirkungen diese Verknüpfungen hervorbringen. Vernetztes Denken beschreibt also die Fähigkeit, das Zusammenspiel von Faktoren erkennen und analysieren zu können.

Die „Methode“ oder eher das „Modell“ des vernetzten Denkens wurde u.a. von Heinz von Foerster, Physiker, Prof. für Biophysik und Mitbegründer der Kybernetischen Wissenschaft geprägt. Prof. Frederic Vester, Biochemiker, Systemforscher und Umweltexperte hat das „Systemverständnis“ und das „systemische Denken“ populär gemacht.

Anwendungsbeispiel – Probleme lösen

Mein Klient, Prokurist in einem internationalen Konzern, musste bei einer Vorstandssitzung strategisch geschickt vorgehen, um Unterstützung für sein Projekt zu bekommen. Er stand also vor einer komplexen Situation, einem Problem, das er konstruktiv lösen wollte. Hier lesen Sie seine Geschichte.

Die Beziehung der Handelnden

Bei der Führung – insbesondere im Top-Management – kommt es weniger auf Inhalte an, sondern mehr auf die emotionalen Beziehungen der Handelnden untereinander. Man bekommt es hier häufig mit einem komplexen Beziehungsgefüge zu tun. Um dieses System zu begreifen oder gar zu beeinflussen, bedarf es eines vernetzten Denkens – denn die vielfältigen Beziehungen und Rückkopplungen lassen sich durch lineare Kausalitäten nicht beschreiben.

Wurzelraum-Anlage

Um eine Strategie zu entwickeln, schaue ich mit meinem Klienten häufig zunächst nach etwaigen Lösungsansätzen in der Natur, so auch bei der Lösung von komplexen Problemen. Schließlich gleichen die vielfältigen Quer- Beziehungen und Netzwerke in den Führungsetagen häufig einem Öko-System.

Schauen Sie sich zum Beispiel eine Wurzelraumanlage oder auch Pflanzenkläranlage an: Ein komplexes Zusammenspiel von Pflanzen, Mikroorganismen (ca. 20 TSD Arten) und Bodenmaterial sind hier auf vielfältige Weise zu einem komplexen Ganzen verbunden.

Das komplexe Zusammenspiel verstehen

Die Besonderheit im Wurzelraum eines solchen biologischen Systems besteht daraus, dass es sich selbst regelt und steuert. Das „komplexe Problem“ wird wie selbstverständlich durch das Zusammenspiel unterschiedlicher „Mitglieder“ gelöst.

Bei der Wurzelraumanalage beispielweise wird giftiges Wasser durch ein System von Pflanzen, Erde und Mikroorganismen geleitet. Anschließend ist das Wasser sauber – weil alle Organismen zur Reinigung beigetragen haben. Hier steht immer im Vordergrund: die Lösung finden. Es ist also nicht die Frage, ob das Problem gelöst wird, sondern dass das Problem gelöst wird – zum Wohle aller.

vernetztes Denken - Umgang mit schwierigen Situationen

In dem vereinfachten Schaubild erkennen Sie, dass es immer wieder darum geht: Zusammenhänge erkennen und verstehen, Wechselwirkungen berücksichtigen. Anpassungsleistungen von allen Beteiligten. Einflüssen berücksichtigen.

Über Bande spielen

In dem Beispiel meines Klienten machte sich Herr S. bewusst: Da alles miteinander zusammenhängt, lässt sich das System über unterschiedliche Ansatzpunkte beeinflussen und in eine gewünschte Richtung lenken.

Um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen, ist es daher nicht notwendig und auch nicht immer sinnvoll, direkt auf die Zielgrößen einzuwirken. Stattdessen kann man – wie beim Billard mit der weißen Kugel – auch „über die Bande spielen“ und indirekt steuern. In diesem Praxisbeispiel mit Herrn S. können Sie sich genau anschauen, wie das gelingen kann.

Checkliste: Wie funktioniert vernetztes Denken konkret?

Als Diplom-Biologin mit Schwerpunkt „biologische Systeme/lebende Organisationen“ bin ich mit dem Gedankenmodell des vernetzten Denkens quasi „groß“ geworden. Daher möchte ich Ihnen den „Prozess“ des vernetzten Denkens und Handelns mal mit einfachen Worten versuchen zu beschreiben. Quasi eine Gebrauchsanleitung zum Nachmachen.

Zusammenhang-Radar-schärfen: Ein paar Grundannahmen:
  1. Alles steht miteinander in Verbindung und beeinflusst sich gegenseitig.
  2. Denken in „Hypothesen/Möglichkeiten“ statt in „Wahrheiten“.
  3. Es gibt mehr als eine Perspektive/Sichtweise.
  4. Die Perspektive beeinflusst die Wahrnehmung.
  5. Die Wahrnehmung beeinflusst das Verhalten.
  6. Recht haben gibt es nicht mehr, stattdessen – was kommt der Problemlösung näher oder nicht?
  7. Statt zu suchen, wer hat Schuld, oder „versagt“, verschieben Sie in der Problemsituation die Schuldfrage auf später.
  8. Es gibt immer eine Lösung. Ob es eine gute oder schlechte Lösung ist, bleibt dahingestellt. Aber die Grundannahme besagt: Es gibt immer eine Lösung im Sinne von „Handlungsfähigkeit erhöhen“.

Werden wir nun konkret und schauen Sie sich den konkreten Schritt-Für-Schritt-Plan für vernetztes Denken und Handeln an:

  1. Beobachten
    Beobachten Sie eine Situation
  2. Beschreiben – Fakten sammeln
    Beschreiben Sie diese Situation – wertneutral –
    (also NUR auf das Verhalten schauen, und das Verhalten nicht interpretieren)
    Wer ist alles beteiligt? Wer macht was? Was machen Sie?
  3. Perspektiven
    Nehmen Sie bei der Beschreibung unterschiedliche Perspektiven und Sichtweisen ein. So können Sie ein möglichst umfangreiches Bild der Situation abbilden.
  4. Zusammenhänge
    Schauen Sie quasi von oben auf die Situation. Wie als Beobachter werden Ihnen durch diese „Vogelperspektive“ die Wirkzusammenhänge erkennbar, auch Abhängigkeiten werden sichtbar. Muster in einem „System“ werden deutlich.
    (Wichtig: bleiben Sie neutral, bewerten Sie nichts)
  5. Ist-Analyse einer komplexen Situation
    Die Schritte 1 – 4 ermöglichen zu einer „realistischeren“ Einschätzung einer komplexen Situation zu gelangen.
  6. Hypothesen entwickeln
    Jetzt entwickeln Sie Ideen und Hypothesen, warum und wieso sich die Situation so oder so ergeben hat – bei Menschen: was KÖNNTEN Beweggründe für sein/ihr Verhalten sein?
  7. Ideen verfolgen
    Verfolgen Sie Hypothesen und beobachten Sie, ob sie sich bestätigen oder auch nicht.
  8. Bewerten und Loslassen
    Verabschieden Sie sich vom Recht haben wollen, darum geht es beim vernetzten Denken niemals. Haben Sie eine „Hypothese“ getestet und sie ergibt nicht den gewünschten Erfolg, lassen Sie sie los und nutzen die nächste Hypothese.
  9. Experimente entwickeln
    Jetzt geht es um die Anwendung, evtl. um ein komplexes Problem zu lösen.
    Folgende Fragen können hilfreich sein:
    Was müsste passieren, damit das Problem gelöst ist?
    Schauen Sie sich nach Lösungsideen um, spielen Sie einzelne Handlungsalternativen durch. Schauen Sie darauf, welche unterschiedlichen Auswirkungen sie jeweils haben könnten – und auch, wie positiv Ihre Team-Mitglieder, Kollegen, Vorgesetzten und Mitarbeiter darauf reagieren.
  10. Iteratives Vorgehen
    Bleiben Sie so lange am Ball, passen Alternativen an, erkennen Fehlannahmen und korrigieren Sie, bis Sie das Problem gelöst haben.

Diese Art des Denkens erfordert zugegebenermaßen etwas Übung. Meine Klienten berichten allerdings, dass es sehr schnell zu einer ganz neuen intuitiven Denk- und Handlungsweise führt und vor allem zu Problemlösungen, die wirklich – nachhaltig – funktionieren und zudem auch noch Spaß machen.

Fazit:

In einer vernetzten Wirtschaft und Gesellschaft gewinnt ein intuitives, emotionales Denken und Handeln an Bedeutung, das Sprünge und Wiedersprüche zulässt, um entscheidungsfähig zu bleiben und komplexe Probleme zu lösen.

Das vernetzte Denken beschreibt die Fähigkeit das Zusammenviel von verschiedenen Faktoren zu erkennen, analysieren zu können und daraus Handlungsideen abzuleiten. Nicht umsonst ist die „Methode“ des komplexen Denkens Teil von 31 Schlüsselkompetenzen, die eine Führungskraft im digitalen Zeitalter beherrschen sollte.

Sie hören lieber?

Hier geht es zur passenden Folge im „Leben an der Spitze“ Podcast: Durch vernetztes Denken zur Problemlösung – ein Schritt für Schritt Plan | RAUS AUS DEM HAMSTERRAD #87

Herzliche Grüße

Gudrun Happich

Gudrun Happich

Executive-Coach Gudrun Happich schreibt auch bei
CIO Magazine
Harvard Business Manager