Der Leistungsträger - Blog

Führungsaufgaben? Was soll ich denn noch alles machen! – Ich arbeite eh schon so viel!“, flucht der Bereichsleiter Operation und lässt sich in den Coaching-Sessel plumpsen. In meiner Praxis begegne ich immer wieder Leistungsträgern, denen das operative Geschäft über dem Kopf zusammenschlägt. Der Grund: Verwirrung um die eigenen Führungsaufgaben. In diesem Beitrag möchte ich Ihnen daher

Die vier Führungsaufgaben

Naturgemäß ist die Arbeitsbelastung im Management ganz objektiv hoch. Dass es manchmal aber in Hektik und Überforderung mündet, hat meiner Erfahrung nach häufig damit zu tun, dass zu wenig Klarheit über einen wesentlichen Punkt herrscht: Was gehört eigentlich zu meinen Führungsaufgaben und was nicht. Heute möchte ich hier ein wenig Licht ins Dunkle bringen. Meinem Verständnis nach gibt es vier ganz unterschiedliche Führungsaufgaben, die man auch an unterschiedlichen Rollen festmachen kann. Je nach Position und/oder Hierarchie mit unterschiedlichen Zielen und Gewichtungen:

(A) Vision und Strategie

Vision und Strategie zählen zu den typischen Aufgaben eines Unternehmers, Geschäftsführers, Vorstands, C-Level. Hier zählt zu Ihren Führungsaufgaben, dass Sie Ihren Blick wie vom Gipfel eines Berges hinaus in die Weite und in die Zukunft – z. T. losgelöst vom „heute“ und aktuellen Gegebenheiten richten. Stellen Sie sich das tatsächlich vor, als stünden Sie auf einem Berg und schauen in die Weite. Sie wahren eine gewisse emotionale Distanz – man kann es auch Metaperspektive nennen – um überhaupt so agieren zu können. In dieser Führungsaufgabe arbeiten Sie am Unternehmen.

Sobald Sie Top-Manager werden, zählt dies zu Ihren wesentlichen Führungsaufgaben und sollte genügend Raum und Zeit bekommen.

(B) Klassische Führungsaufgaben eines Leaders

Hier geht es darum Ergebnisse zu schaffen, Entscheidungen zu treffen und komplexe Probleme zu lösen. Die wichtigste Hauptaufgabe ist in diesem Bereich: Gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern Ergebnisse zu erreichen.

Achtung: die Betonung liegt auf GEMEINSAM mit Ihren Mitarbeitern, nicht Sie selbst! Das ist für viele Führungskräfte, die sich vor allem über Expertenwissen und Inhalte definieren, ganz schön schwer umzusetzen.

Um diese Führungsaufgabe und vor allem ihre besondere Bedeutung und Wichtigkeit erkennbar zu machen, gefällt mir die Formulierung des verstorbenen Prof. Dr. Peter Kruse sehr gut:

Als Führungskraft ist Ihre Führungsaufgabe die „Intelligenz Ihrer Mitarbeiter zu moderieren“.

Damit ist die Führungsaufgabe in erster Linie eine kommunikative Aufgabe!
Gespräche führen, Dialoge und zielführende Meetings abhalten, motivierende und auch kritische Gespräche machen ca. 80 – 90 % der Zeit einer typischen Führungskraft aus. (Achtung: das ist nicht jedermanns Sache und das ist vollkommen in Ordnung, doch wem das nicht schmeckt, sollte ehrlich zu sich sein und schauen, ob er nicht in einer anderen Führungsaufgabe glücklicher wäre.)

Manchmal fühlt sich das an, wie eine Krake mit viel zu kurzen Armen, um durchzugreifen und viel zu wenig Händen, um all die Aufgaben zu erledigen.
Meistens ist man hier im Kopf und geht emotional nicht zu stark in die Tiefe, weil man sonst diese Schlagzahl nicht erreichen bzw. halten könnte. Hier wird im Unternehmen gearbeitet.

Um dieser Verantwortung gerecht zu werden ist es hilfreich, wenn man die grundlegende Führungsaufgabe „Delegieren“ ziemlich gut beherrscht. Ich weiß, das ist wirklich nicht einfach, selbst alte Hasen verfallen allzu oft ins Mikromanagement, oder Laissez-faire, doch in diesem Artikel geht es ja um das Ziel, wie Sie es schaffen – mit weniger Aufwand Ihre Ergebnisse zu erreichen, bei weniger Zeiteinsatz, oder?

(C) Spezialistenaufgaben

Damit sind Themen gemeint, bei denen Sie in die Tiefe gehen, sich im Detail damit auseinandersetzen müssen, z. B. ein Konzept oder Angebot erarbeiten, eine spezifische Lösung suchen, einen Vortrag vorbereiten, Personalgespräche vor-/nachbereiten, etc. Dafür ist hohe Konzentration erforderlich, Sie sollten möglichst allein sein und in Ruhe arbeiten können, wie ein Fisch, der auf Tauchstation geht und den Meeresgrund besucht.

Meist bin ich in diesem Fall emotional stark mit dem Thema verbunden und identifiziere mich mit diesem Teil meiner Arbeit. Das ist sogar eine Voraussetzung, um überhaupt so ins Detail gehen zu können. Hier wird quasi im Unternehmen gearbeitet, also eher inhaltsorientiertes Agieren.

Ein Tipp: Wie oben formuliert benötigen Sie dabei Ruhe. Daher achten Sie bitte darauf, dass Sie ungestört arbeiten können. Schließen Sie die Tür, stellen Sie den E-Mail-Benachrichtigungston aus oder verziehen Sie sich gleich ins Home-Office. Ich habe ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass es sich bei dieser Aufgabe lohnt in „Blöcken“ zu arbeiten. Mindestens 1 – 2 Stunden ungestört an einem Thema arbeiten, dann eine gezielte Pause. Sie werden merken, dass sich die Qualität Ihrer Ergebnisse deutlich verbessert.

(D) Reflektieren

Diese Führungsaufgabe sortiere ich in den Bereich der Selbstführung ein. So nutzt eine Führungskraft Reflexion, um Abstand zu gewinnen und den Überblick zu finden. In der Folge kann sie am wirkungsvollsten Punkt ansetzen, um im operativen Bereich effizient zu arbeiten.

Führungsaufgaben? Viel Konfliktpotenzial

Die Aufgaben und Tätigkeiten in den einzelnen Rollen und Bereichen unterscheiden sich durch

  • den Anlass,
  • die Ziele,
  • die jeweilige Definition von „Arbeit“,
  • die Arbeitsweise und
  • schließlich auch durch das Ergebnis.

Und leider unterscheiden sich diese Tätigkeiten nicht nur, sondern sie widersprechen sich teilweise auch. Eine Klärung der einzelnen Führungsaufgaben ist notwendig.

In den Rollen A – C halten Sie sich auf jeweils ganz unterschiedlichen mentalen und emotionalen Ebenen auf. Von einem in den anderen Modus zu wechseln, kostet häufig zusätzliche Kraft, Zeit und Aufmerksamkeit. Zu häufiges Wechseln führt zu enormer Abnutzung oder unnötig hoher Belastung und sollte daher im Rahmen bleiben.

Wie versuchen die meisten mit dieser Situation umzugehen?

Die meisten Führungskräfte und Leistungsträger verbringen ca. 80 – 90 % des Tages im Modus B, also im Kampf mit der operativen Hektik. Das heißt: jede Menge Meetings, manche davon auch strategisch, die somit in die Kategorie A (Strategie) gehören.

Für C (Spezialistenaufgaben) bleibt weder Zeit noch Raum. Die Dinge, zu denen man Ruhe und Konzentration braucht, rutschen unweigerlich in den Zeitblock am frühen Morgen zwischen 6 und 8.30 Uhr – also bevor die eigenen Mitarbeiter im Hause sind. Oder sie werden abends nach 19 Uhr erledigt, sprich wenn die meisten anderen Mitarbeiter schon wieder zu Hause sind. Wenn sie nicht gleich ganz aufs Wochenende, also gemeinhin außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit, verschoben werden.

Die Folge: Die Rollen A (Strategie) und insbesondere D (Reflexion) werden kaum noch eingenommen. Und dabei sind diese besonders wichtig, um als Leistungsträger mit Führungsaufgaben zu reüssieren.

Coaching: Wie besser damit umgehen?

Die meisten meiner ambitionierten Klienten nutzen ganz bewusst das Führungskräfte Coaching als „Auszeit“, um professionell zu reflektieren (D), und um wieder Distanz zum eigenen Tun zu erhalten und den so wichtigen Überblick zu gewinnen. Auch Ideen für Strategien (A) können in der Coaching-Zeit entwickelt werden. Gemeinsam sortieren wir: Was ist dringend? Was ist wichtig? Um was geht es wirklich? Wo ist der wirkungsvollste Hebel?

Dieses professionelle Reflektieren der eigenen Rolle und der dazu passenden Führungsaufgaben ist extrem nützlich, um den Kopf oben zu behalten, auch wenn die nächste Arbeits- oder Projektwelle bereits anrollt.

Decken sich Ihre Erfahrungen im Führungsalltag mit dieser Beschreibung? Ich freue mich über Ihre Anmerkungen und Ergänzungen.

Best Practice aus dem Coaching-Alltag

Übrigens: Der Bereichsleiter Operation aus dem obigen Beispiel erkannte für sich, dass er gerne inhaltlich arbeitet und sich über seine Fachkompetenz definiert. Daher band er seine Mitarbeiter zu wenig in die Aufgaben mit ein, machte selbst viel zu viel und arbeitete natürlich insgesamt mehr als 60 Stunden in der Woche. Die Aufteilung der Führungsaufgaben in die 4 wichtigsten Rollen half ihm Klarheit zu gewinnen. Diese Klarheit brachte ihn zu einer Entscheidung: mehr delegieren und mehr Raum und Zeit zum Reflektieren einbauen.

Herzliche Grüße

Gudrun Happich

Gudrun Happich

Bildquelle: Depositphotos #176731424 ©artursz

Executive-Coach Gudrun Happich schreibt auch bei
CIO Magazine
Harvard Business Manager