Der Leistungsträger - Blog

„Die sollen einfach nur ihren Job machen“,

flucht der Geschäftsführer. Als Geschäftsführer, Inhaber, C-Level-Manager oder Top-Führungskraft sind Sie verantwortlich für die Mitarbeiter. Sie stehen unter Druck: Probleme, die gelöst werden wollen, Entscheidungen, die getroffen werden sollen, Kurz: Sie fühlen sich wie ein Hamster im Laufrad. Für eine erfolgreiche Problemlösung gilt es dabei sowohl die eigenen Emotionen als auch die Ihrer Mitarbeiter und des Vorgesetzten bzw. Inhabers zu berücksichtigen.

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Emotionale Situationen im Top-Management

Auch wenn wir Gefühle in der Regel am liebsten ganz aus unserem Berufsleben heraushalten würden: In manchen Situationen drängen sie sich geradezu auf – und verlangen, dass wir uns zu ihnen positionieren. Im Folgenden vier Beispiele, wie einige meiner Klienten mit Situationen konfrontiert worden sind, bei denen Emotionen eine Schlüsselrolle gespielt haben.

Fall 1: Festgefahren

Der Geschäftsführer eines erfolgreichen IT-Unternehmens ruft mich an und formuliert: Frau Happich, hier geht gar nichts mehr, wir sind im Unternehmen festgefahren. Wir brauchen eine Lösung und zwar schnell. Ich brauche die BESTE Lösung, es kann auch rauskommen, dass der Laden verkauft wird. Machen Sie was, egal was, Hauptsache es funktioniert.

Fall 2: Nichts geht mehr

Der SVP eines großen Produktionsunternehmens soll im ganzen Unternehmen die Umstellung auf SAP übernehmen, die „Systeme harmonisieren“. Er ist als Spezialist für solche Fälle eingekauft worden. Am Anfang läuft alles super. Doch seit einer Weile stockt alles. Die Mitarbeiter weigern sich, sie stellen sich sogar gegen den SVP. Die Zusammenarbeit droht zu scheitern. Als erste Maßnahme wurde eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt und die Ergebnisse in großer Runde gegenüber dem SVP mitgeteilt. Ein vernichtendes Urteil. ALLE sehen den SVP erwartungsvoll an. Wie wird er darauf wohl reagieren? Was wird er wohl machen? Wird er sich wehren, sich verteidigen… Was passiert? NICHTS. Der SVP wird sichtlich blass, er sackt in sich zusammen, er sagt nichts. Er steht einfach nur auf und verlässt die Runde… zu diesem Zeitpunkt werde ich angerufen und um Hilfe gebeten.

Fall 3: Mit dem Rücken zur Wand

Der Geschäftsführer legt ausgezeichnete Zahlen für seinen Bereich vor. Er ist – was die Ergebnisse angeht – ein Held und wird dafür gefeiert. Aber eine 180 Grad Mitarbeiterbefragung ergibt ein vernichtendes Urteil: Die Mitarbeiter kritisieren ihn in dieser „anonymen“ Umfrage scharf. Der Führungsstil ist einfach „entwertend“. Die Stimmung ist angespannt. Der Inhaber des Unternehmens droht dem Geschäftsführer: „Ihre Zahlen reichen nicht, Sie müssen an der Situation in Ihrem Bereich etwas ändern. Bekommen Sie IHR Problem in den Griff, sonst bekommen Sie ein Problem mit mir.“ Mit dieser Drohung im Rücken sucht der Geschäftsführer den Weg zu mir.

Fall 4: Frustration pur

Der Inhaber eines mittelgroßen Ingenieurbüros ist verzweifelt. „Ich tue alles für meine Mitarbeiter, bezahle das Fitnessstudio, führe mit offener Bürotür, zahle über dem Durchschnitt. Aber was ist der Dank? Die sind alle am Motzen, meistens freitagnachmittags, und versauen mir das Wochenende“. Ich habe schon so viel probiert, aber die Stimmung wird immer schlimmer. Und ich habe auch langsam keinen Bock mehr.

Und wenn nichts passiert? Denkbare Konsequenzen

Was haben alle Fälle miteinander gemeinsam? Die Protagonisten befinden sich in einer scheinbar ausweglosen Situation und sind hohem emotionalem Stress ausgesetzt. Im Führungskräfte-Coaching stelle ich bei Fällen wie diesen gerne folgende Frage: Was würde geschehen, wenn nichts passiert und alles so weiterläuft wie bisher?

Fall 1: Das Geschäftsaus vor Augen

Der Geschäftsführer aus Fall 1 wurde auf diese Frage leichenblass und stammelte: „Dann kann ich den Laden zumachen. Wenn wir nicht schnell eine Lösung finden, dann zerfleischen wir uns. Die Stimmung ist so angespannt, wir gehen uns aus dem Weg und ich sehe, dass die Profile der Mitarbeiter auf LinkedIn schon „aufgemöbelt“ wurden.“

Fall 2: Geschäftsgrundlage in Gefahr

Sowohl der Geschäftsführer als auch die Personalleiterin des Unternehmens aus Fall 2 schauen mich auf diese Frage mit großen Augen an, dann schauen sie sich gegenseitig an, schauen betreten nach unten, schauen sich dann wieder gegenseitig an und starren mich an. „Ja, wissen Sie…“ formuliert der Geschäftsführer dann ganz leise: „Der SVP ist ja für die gesamte Integration der Technik im Unternehmen zuständig. Wenn er es nicht hinbekommt, dass es funktioniert, dann können wir nicht weiter produzieren, damit geht die Existenzgrundlage verloren. So schnell bekommen wir für den Mitarbeiter keinen Ersatz, auf dem Markt gibt es solche Spezialisten, wie wir sie brauchen, so gut wie gar nicht. Gleichzeitig, wenn ER sein Problem nicht löst, dann kündigen möglicherweise Mitarbeiter, das ist zwar nicht existenziell, aber auch echt blöde. Es kostet uns wahnsinnig viel Zeit und Geld, die wir jetzt nicht haben, sind wir mit dem Projekt doch schon jetzt in Zeitverzug.“

Fall 3: konsequente Verdrängung

Der Geschäftsführer in Fall 3 kann sich unter einem Worst-Case noch nicht wirklich was vorstellen. Er formuliert: „Wenn die Mitarbeiter einfach nur ihren Job machen würden, wenn sie mitdenken würden, wenn sie sich einbringen würden, wenn sie… (es folgen noch ein paar Anforderungen), dann habe ich doch gar kein Problem.“ Die Kurzfassung: „Wenn die Mitarbeiter machen, was ich sage, dann habe ich kein Problem. Ich bin halt lösungsorientiert und denke in Zahlen, Ergebnissen. Da müssen DIE sich anpassen.“

Fall 4: Fluchtfantasien

Der Inhaber in Fall 4 phantasiert: „Na, wenn sich nichts ändert, dann habe ICH keine Lust mehr. Ich arbeite jetzt schon von früh bis spät, bin der erste der morgens kommt und der letzte der abends geht. Ich verkaufe dann einfach den Laden und sollen die anderen doch sehen, wo sie bleiben.“

Vier verschiedene Fälle, eine Idealvorstellung

Die Reaktionen meiner Klienten fallen noch recht unterschiedlich aus. Manchmal stelle ich dann eine weitere Frage: „Wenn Sie träumen dürften, wie wäre es denn dann?“

Wissen Sie was, es kam bei allen die gleiche Antwort raus:

„Ich möchte Ruhe in die Situation gebracht haben, meine Mannschaft für Veränderungen begeistert haben. Das Engagement der Mitarbeiter geweckt haben. Die Mitarbeiter haben jetzt eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen, sie sind zufrieden mit dem was sie tun und tragen innovativ zum Ergebnis bei.“

Irgendwie haben alle eine ähnliche Vorstellung wie es im Idealfall wäre. Es fühlt sich leicht an. Alle sind zufrieden. Die Ergebnisse des Unternehmens bzw. des Bereiches sind gut. Die Mitarbeiter gehen kooperativ und innovativ miteinander um. Alles ziehen an einem Strang und alle tragen den besten Teil zum Gesamtwohl bei.

Die Kurzfassung: Wirtschaftlich erfolgreich und persönlich erfüllt.

Emotionen als Schlüssel zur Problemlösung?

Merkwürdig, oder? So unterschiedlich die Probleme auch sind, die Wünsche der Verantwortlichen sind sehr ähnlich. Ist das jetzt Utopie oder Märchendenken? Geht denn das überhaupt? Und wenn ja, wie? Wo ist der Schlüssel? Was kann man tun?

Ist Ihnen was aufgefallen? Am Anfang sind die Emotionen der Beteiligten sehr wohl spürbar, am Verhalten, an der Stimme oder auch an den Worten. In der Idealwelt wurden neben den Ergebnissen auch die Gefühle formuliert. Kann das entscheidend sein?

Sobald es um Lösungen, Strategien oder Maßnahmen ging, wurde nur noch sachlich debattiert und diskutiert. In den inhaltlichen Auseinandersetzungen ging es NUR noch um Zahlen, Daten und Fakten. Verstehen Sie mich nicht falsch. Das ist wichtig, sogar enorm wichtig. Aber: In allen genannten Fällen haben sich alle Beteiligten auf der SACHEBENE offen ausgetauscht. Wo sind die Befindlichkeiten, die Wünsche geblieben? Die wurden „professionell“ unter den Teppich gekehrt. Sind die Emotionen möglicherweise der Schlüssel?

Emotionen im Business: Top Manager und Gefühle

Gefühlsduselei im Business? Das geht doch nicht! Oder vielleicht doch? Als Geschäftsführer, C-Level-Manager, Vorstand wollen Sie ja „gemeinsam“ mit Ihren Mitarbeitern Ergebnisse erreichen, nicht wahr? Könnte es sein, dass der „Kitt“ zwischen zwei Menschen, also auch zwischen Mitarbeitern, die Gefühle sind? Ich weiß, diese Vorstellung fällt uns Top-Leuten extrem schwer, wir sind es ja gewohnt, rational zu sein. Das wird übrigens bei vielen für professionell gehalten. Außerdem glauben wir, dass Emotionen im Business was für „Weicheier“ oder „Frauen“ sind, aber nichts für gestandene Profis. Die allgemeine Annahme ist auch: Gefühle kosten Zeit, die ich nicht habe. Es gibt genügend Erklärungen, warum man es für sinnvoll hält, die Emotionen aus dem Spiel zu lassen. Aber mal ganz ehrlich: Emotionen sind das, was Menschen verbindet. Im Negativen, wie im Positiven.

Emotionalität im Unternehmen: Bei der oberen Führungsebene ist Schluss

Die gute Nachricht: Emotionalität in Unternehmen wird im Zeitalter der Digitalisierung und im Zuge des Aufkommens neuer Führungsstile zunehmend toleriert – und manchmal sogar explizit gefordert. Doch leider wird dieser zukunftsträchtige Führungsaspekt längst noch nicht überall gelebt. Bis zur mittleren Führungsebene geht es in vielen Unternehmen mittlerweile weitgehend transparent, offen, menschlich zu. Ganz oben ist aber Schluss damit. Gefühle, Emotionalität im Top-Management sind nicht gefragt oder werden irgendwie als gefährlich oder unprofessionell eingestuft.

Ein Beispiel: Einer meiner Klienten, ein IT-Ingenieur, konnte als Führungskraft im Top-Management des Tochterunternehmens eines großen Konzerns überragende Erfolge vorweisen und war beim Team überaus beliebt. Nun war er für eine Vorstandsposition vorgeschlagen worden und wollte sich – kluger Mensch, der er ist – im Executive Coaching auf den Bewerbungsprozess und seine mögliche neue Rolle vorbereiten. Die Konzernspitze hatte ihm nahegelegt, doch dringend an seiner Führungskompetenz zu arbeiten und sich deutlich mehr Härte im menschlichen Miteinander zuzulegen. Die Organisation tritt nach außen sehr modern auf und wirbt mit ihrer sozialen Netzwerkstruktur.

Gute Führung lässt Emotionen nicht unter den Tisch fallen

Viele Probleme lassen sich wesentlich besser lösen, wenn sie nicht nur auf der reinen Sachebene betrachtet werden, sondern auch Emotionen im Blick behalten – die der Mitarbeiter, des Vorgesetzten bzw. des Inhabers und die eigenen. Um diese Erkenntnis auch beim eigenen Führungsstil zu berücksichtigen, können Sie folgendermaßen vorgehen:

  1. Machen Sie sich klar, dass zwischenmenschliche Problem nicht mit SACHLÖSUNGEN oder rationalen Erklärungen zu lösen sind.
  2. Finden Sie heraus, wovon Sie selbst überzeugt sind. Was sind Ihre Werte, was ist Ihnen wichtig? Wie möchten Sie führen, wie möchten Sie, dass „man“ miteinander umgeht?
  3. Kommunizieren Sie dies an Ihre Mitarbeiter, quasi als Regelwerk
    (das sollten nicht mehr als 5 – 7 Punkte sein, denn mehr kann man sich im Alltag nicht merken).
  4. Wenn etwas schiefläuft, dann drängen Sie nicht sofort auf Lösungen, sondern äußern Sie, wie es Ihnen damit geht.
    Ein Beispiel: Statt also zu sagen „Machen Sie das oder das“, können Sie es anders machen: „Ich merke, dass ich gerade ärgerlich werde, wenn ich zum wiederholten Male etwas gesagt habe und ich erlebe, dass Sie einfach „abtauchen“ und sich entziehen. Ich möchte gerne im Dialog mit Ihnen bleiben. Wie sehen Sie das?“
  5. Wenn ein Mitarbeiter nicht so „funktioniert“, wie Sie sich wünschen, dann könnten Sie sagen: „Ich weiß gerade nicht, wie ich mit Ihnen umgehen soll. Ich hatte doch meine Wünsche an Sie formuliert. Was schlagen Sie vor, was wir jetzt (anders) machen. Was brauchen Sie von mir?“

Ich verstehe, dass das komplett neu und ungewohnt ist, und sicherlich für viele erst mal lächerlich klingt.

Aber: In allen genannten Fällen haben wir eine konstruktive Lösung für das herausfordernde Problem gefunden, nachdem wir den emotionalen Aspekt der Probleme mitberücksichtigt haben. Konstruktiv und hilfreich für ALLE Beteiligten. Keines der Worst-Case Szenarien ist eingetreten. Im Gegenteil – meistens war das Ergebnis ziemlich nahe dran am Idealzustand. IMMER haben wir eine individuelle Lösung gefunden, für die Person UND das Unternehmen.

Ihr persönlicher Preis: Lassen Sie sich nicht verbiegen

Der oben genannte IT-Ingenieur, der als Führungskraft entgegen seinem persönlichen Führungsstil, welcher die Emotionen seiner Mitarbeiter berücksichtigte, „härter“ auftreten sollte, hat nach dem Durchspielen verschiedener Szenarien und sehr viel Reflexion entschieden: Ich will das machen! Ich will etwas bewegen, diesen Konzern, den ich kenne und schätze und der in Teilen ja durchaus schon modern funktioniert, mitgestalten. Und das kann ich im Vorstand am besten. Tatsächlich ist es ihm dank dieser inneren Klarheit gelungen, das Spiel mitzuspielen, sich aber innerlich nicht zu verbiegen und Schritt für Schritt zu einem Kulturwandel beizutragen. Es gibt aber auch Klienten, die im Laufe des Prozesses für sich erkennen, dass sie doch nicht ganz nach oben wollen. Der persönliche Preis, den sie dafür zahlen müssten, ist ihnen zu hoch. Das ist genauso legitim: Es geht immer darum, den für sich besten Platz zu finden, indem Rolle, Umfeld und Aufgabe passen. Denn damit erzielen Sie für sich selbst und das Unternehmen die beste Wirksamkeit.

Sie hören lieber?

Hier geht es zur passenden Episode in meinem Podcast „Leben an der Spitze“:
Gefühle zeigen im Top Management: Ja oder nein? | RAUS AUS DEM HAMSTERRAD #134

Herzliche Grüße

Gudrun Happich

Gudrun Happich

PS: Sie möchten Emotionen stärker bei Ihrem Führungsstil berücksichtigen, um so neue Lösungsansätze für alte Probleme zu finden? Dann kontaktieren Sie mich – und wir erarbeiten gemeinsam eine passende Strategie!

Foto von Andrea Piacquadio von Pexels

Executive-Coach Gudrun Happich schreibt auch bei
CIO Magazine
Harvard Business Manager