Der Leistungsträger - Blog

Führungskräfte sollten den Aufstieg in die Geschäftsführung – innerhalb des Unternehmens – keinesfalls unterschätzen und sich gründlich auf die neue Welt vorbereiten. Aber wie sieht es eigentlich aus, wenn man als Geschäftsführer, CEO, Vorstand, Top-Manager den Arbeitgeber wechselt? Immerhin ist ein Jobwechsel als Führungskraft im Top-Management keine Seltenheit. Im Gegenteil: Laut einer aktuellen Studie wechseln rund 15 Prozent der CEOs jährlich das Unternehmen. Entsprechend wichtig ist es für Unternehmen, Top-Führungskräfte zu binden. Was aber sollte der einzelne Vorstand, Geschäftsführer tun, um sich auf die „alte Aufgabe“ bei einem neuen Unternehmen vorzubereiten? In diesem Artikel lesen Sie

Typische Herausforderungen beim Jobwechsel im Top-Management

Wer glaubt, dass er ja nun schon bewiesen hat, dass er ganz oben bestehen, sich durchsetzen, gestalten kann und einfach nur ein paar Rahmenbedingungen neu sein werden, unterschätzt den Jobwechsel im Top-Management total.

Unternehmenswechsel: Vorsicht Kulturschock

Je nach Größe, Kultur und genereller Ausrichtung des Unternehmens kommen bei einem Wechsel in der Geschäftsführung völlig neue Aufgaben auf eine Führungskraft zu. Nehmen wir an, Sie haben bislang für ein Unternehmen vom alten Schlag gearbeitet, mit viel Hierarchiedenken und Kontrolle. Wenn bei Ihrem neuen Arbeitgeber die Zeichen auf moderne Führung stehen, bedeutet das für Sie, dass Sie völlig anders agieren, denken und fühlen müssen. Wenn soziale Kompetenz nicht zu Ihren Stärken gehört, werden Sie daran definitiv arbeiten müssen. Andersherum kann der Wechsel von einer modernen Organisation zu einem Unternehmen alter Schule zu einem Kulturschock führen. Das erlebe ich häufig, wenn Top-Führungskräfte vom Mittelstand in den Konzern wechseln. Oder auch, wenn „Konzern-Kenner“ zu einem Mittelständler bzw. inhabergeführten Familienunternehmen wechseln. Und natürlich kann auch der Firmenwechsel innerhalb eines Konzerns mit entsprechenden Schwierigkeiten verbunden sein. Kurz gesagt: Jedes Unternehmen, egal ob groß oder klein, hat eine eigene „universelle“ Unternehmenskultur.

Der Erfolgsdruck ist groß

Was den Jobwechsel im Top-Management zusätzlich erschwert: Häufig wird ein neuer Vorstand oder Geschäftsführer gesucht, wenn die Dinge nicht so gut laufen oder eine komplette Neuausrichtung ansteht. Von dem Neuzugang wird dann erwartet, dass er den Karren aus dem Dreck zieht oder ihn aus dem Stand heraus in die richtige Richtung lenkt. Oft gilt es dabei, massive Veränderungen erfolgreich zu bewältigen – egal, ob sie als „Transformation“, „Change“ oder mit anderem Titel bezeichnet werden. Ein ziemlicher Druck. Im Executive Coaching stellen sich im Zusammenhang mit der neuen Rolle an der Spitze dann viele Fragen. Zum Beispiel:

  • Was muss ich vor dem Antritt alles wissen?
  • Wie kriege ich den Einstand richtig hin?
  • Wird eine Antrittsrede erwartet?
  • Wie bringe ich die anderen Mitglieder der Geschäftsleitung, die Mitarbeiter auf meine Seite?
  • Was sind die ersten Schritte?

Jobwechsel im Top-Management – ein Praxisbeispiel

Die Klientin war über lange Jahre Geschäftsführerin einer regionalen Einheit in einem Software-Konzern gewesen. Über einen Headhunter war sie von einem Unternehmen aus der gleichen Branche als Geschäftsführerin angeworben worden. Sie hatte lange hin und her überlegt – sich aber dann für die neue Herausforderung entschieden. Die Erwartungen waren hoch. Ihren bisherigen Arbeitgeber kannte die Klientin seit ihrer Ausbildung. Der neue Arbeitgeber befand sich an der schwierigen Schwelle von der mittelständischen Struktur zum Großunternehmen. Wider Erwarten wurde sie nach ihrer Entscheidung sehr unsicher. Würde sie dem ganzen gewachsen sein? Deshalb fiel die Entscheidung für ein Coaching. Sie kam zu mir, weil sie mein Buch „Ärmel hoch!“ gelesen und davon sehr profitiert hatte.

Wenn Geschäftsführer den Wechsel anstreben: Fragen, die Sie sich vorab stellen sollten

Im Coaching haben wir uns im Wesentlichen mit folgenden Punkten beschäftigt. Wenn bei Ihnen ein Jobwechsel im Top-Management ansteht, geben sie Ihnen eine gute Orientierung:

  • Welche Fragen müssen wem IM VORFELD gestellt werden? Der Job beginnt weit VOR dem ersten Arbeitstag.
  • Welche (geheimen) Erwartungen gibt es an Ihre Rolle? Weshalb hat man sich für Sie entschieden?
  • Wie lange sind die Entscheider in den Positionen, im Unternehmen, sprich „welche Vorgeschichten“ gibt es zu den einzelnen „Leadern“? Wer hat das „inoffizielle“ Sagen?
  • Wo liegen die aktuellen Herausforderungen im Unternehmen?
  • Welches Image möchten Sie vermitteln?
  • Wie können Sie die ersten 4-6 Wochen so gestalten, dass Sie eine gute Grundlage für Ihre weitere Vorgehensweise schaffen?

Meine Klientin hat durch die intensive Vorbereitung im Coaching ihre Sicherheit zurückgewonnen und es vom ersten Tag an geschafft, ihren eigenen Stil ins Unternehmen einzubringen. Sie hat zum Einstand eine kleine Feier organisiert, zu der alle eingeladen wurden. Bei der Antrittsrede hat sie einiges von sich erzählt, weil es ihr wichtig war, als Mensch transparent zu sein. Daneben hat sie kurz darüber informiert, was sie sich in den nächsten Wochen vorstellt: Sie wolle mit jedem Bereichsleiter persönlich sprechen. Das kam verdammt gut an, man munkelte „Die interessiert sich ja wirklich für uns.“ Sie hat keine großen Visionen proklamiert oder verkündet, dass alles anders wird. Sie formulierte eher: Wir werden in den nächsten Wochen schauen, wie der neue Weg sein wird.

Ihr Jobwechsel als Führungskraft – So wichtig ist Zuhören

Tatsächlich verbrachte sie die ersten Wochen damit, Gespräche zu führen und ganz viel zuzuhören. Den Mitarbeitern vermittelte das Wertschätzung und sie selbst sagt: „Es ist unglaublich, was ich in dieser Zeit gelernt habe. Über das Unternehmen, über die einzelnen Leute, ich hatte sofort ein Gespür dafür, wie ich mit jedem einzelnen in Zukunft umgehen muss, wer ein wenig mehr „gepampert“ werden muss, wer der Meinungsführer und Multiplikator ist.“ Diese ersten Zuhör-Wochen bildeten die Grundlage für erste Strategie-Entscheidungen. „Ich hatte vorher den großen inneren Druck: Ich muss doch liefern. Aber durch diese ersten 3 Wochen habe ich so viel mitbekommen, dass es mir dann ganz leichtgefallen ist.“

Nach einigen Monaten sitzt meine Klientin fest im Sattel und bekommt viel positives Feedback. Ihr Tipp für Sie, wenn Sie einen Wechsel in die Geschäftsführung eines anderen Unternehmens anstreben:

„Planen Sie Zeit zum Denken ein. Und halten Sie regelmäßig Kontakt mit den wichtigsten Leuten. Stehen Sie zu sich und Ihrer Überzeugung. Seien Sie transparent und machen Sie keine Versprechungen, die Sie nicht einhalten können!“

Geschäftsführer-Wechsel in ein Familienunternehmen: die Besonderheiten

Eine besondere Herausforderung wartet auf Sie, wenn Sie als Geschäftsführer in ein Familienunternehmen wechseln. Dieser Fall kommt recht häufig vor. Denn viele denken, dass man als Top-Manager in mittelständischen Unternehmen und Familienbetrieben sehr viel mehr Gestaltungsfreiheit hat.

Die Vorteile eines Wechsels in Familienunternehmen

Und in der Regel stimmt das ja auch. Mittelständische Familienunternehmen sind allein durch ihre Größe oft in der Lage, sehr viel flexibler zu agieren als Konzerne. Zu den häufigsten Vorteilen von Familienunternehmen zählen:

  • Veränderung, Modernisierung – das kann hier sehr viel schneller gehen. Nicht wenige der Familienbetriebe, die ich kenne, sind Hidden Champions und Vorreiter in Sachen moderne Führung.
  • Die allseits geforderte Vernetzung wird hier oft schon lange gelebt im Rahmen eines seit Jahrzehnten propagierten Miteinanders.
  • Die Mitarbeiterbindung ist im Mittelstand sehr viel stärker, oft kennt man sich über Jahrzehnte, ganz oben und ganz unten sind per Du.
  • Überhaupt ist die Kommunikation sehr viel direkter und der Umgang weniger politisch.
  • Der Wertekanon existiert nicht, wie bei so manchem Konzern, nur auf der Homepage, sondern wird oft wirklich gelebt.

Erwartet Sie, wenn Sie als Geschäftsführer in ein Familienunternehmen wechseln, also ein Paradies?

Herausforderungen für Top-Manager in Familienunternehmen

Nun, zunächst können die oben beschriebenen Dinge der Fall sein, müssen es aber nicht. Familienbetriebe und auch mittelständische Unternehmen bis zu einer gewissen Größe, werden sehr viel stärker von einzelnen Persönlichkeiten geprägt. Und das bringt auch eine Reihe von Herausforderungen mit sich:

  • Vertritt der Inhaber einen rückwärtsgewandten, sehr autoritären Führungsstil, wird es unter Umständen sehr viel schwieriger, eigene Ansätze einzubringen.
  • Wenn es nun mal seit Generationen so und so gemacht wird, kann man mit den eigenen Vorstellungen erstmal auf Granit beißen.
  • Häufig gibt es in Familienunternehmen auch keine strategische Personal- und Organisationsentwicklung. Wer vom Konzern gewohnt ist, dass dies alles systematisiert ist und das Gleiche nun auch erwartet, kann eine Art Kulturschock erleben.
  • Der Inhaber hat häufig verschiedene Rollen in Personalunion inne. Die Mitarbeiter fühlen sich womöglich ihm und nicht dem neuen Geschäftsführer verpflichtet.

Es ist also viel Fingerspitzengefühl nötig, wenn Sie sich als Geschäftsführer etwa im Zuge der Unternehmensnachfolge bei Familienunternehmen behaupten möchten.

Tipps für den Wechsel als Geschäftsführer ins Familienunternehmen

Zunächst sollten Sie sich die Fragen stellen, die allgemein für den Jobwechsel im Top-Management gelten. Zusätzlich möchte ich Ihnen folgende Ratschläge mitgeben:

Arbeiten Sie die Unterschiede in Struktur, Kommunikation, Kultur zwischen Konzern und Familienunternehmen klar heraus! Gehen Sie bei Veränderungen mit Fingerspitzengefühl vor und versuchen Sie vorhandenes Potential zu nutzen. Stellen Sie viele Fragen und hören Sie zu!

Versetzen Sie sich in den Blickwinkel der Mitarbeiter, etwaiger Mit-Geschäftsführer, des Inhabers – wer erwartet was von Ihnen?

Fallbeispiel aus der Coaching-Praxis: Behutsame Transformation in 5 Schritten

Die Klientin kommt vom Top-Management eines Konzerns und wechselt in die Geschäftsführung eines großen, mittelständischen Familienunternehmens mit rund 2.000 Mitarbeitern. Beide sind in der Maschinenbaubranche tätig. Die 50-Jährige will für diesen Schritt optimal vorbereitet sein. Sie ahnt, dass hier alles sehr anders gehandhabt wird. Nach einigen Wochen wird klar, dass dieses „anders“ sehr viel größer und herausfordernder ist, als gedacht. Im Coaching gehen wir daher in 5 Schritten vor.

1.) Veränderungen anstoßen

In dem Unternehmen herrscht seit Generationen ein diktatorischer Führungsstil, streng von oben herab. Das gefällt meiner sehr modern eingestellten Klientin gar nicht. Sie will das wandeln, muss aber behutsam vorgehen. Die Mitarbeiter haben noch nicht gelernt, wie das ist: selbständig zu denken und zu handeln. Im Executive-Coaching entwickeln wir Anreiz-Strategien, wie Mitarbeiter für Eigenverantwortung belohnt werden. Um Prozesse und langfristige Strategien hat sich bislang niemand wirklich gekümmert. Man hat das Unternehmen eher umsatzorientiert geführt, Umsatz wurde mit Ergebnis gleichgesetzt.

2.) Einen anderen Blickwinkel einnehmen

Die massiven Unterschiede zum Konzern irritieren und verunsichern die Klientin anfangs sehr. Im Coaching gelingt es uns, das umzudrehen, hinter Hürden und Bergen den Gestaltungsspielraum freizulegen. Letztlich gibt es in dem Familienunternehmen ein Riesenpotential, das mit relativ wenig Aufwand geweckt und in die gewünschte Richtung gelenkt werden kann. Nachdem der Einstieg gut geschafft ist, warten auf meine Klientin große Herausforderungen: Sie soll das Unternehmen neu am Markt positionieren, und zwar in relativ kurzer Zeit.

3.) Vorhandene Stärken nutzen

In der Geschäftsleitung sind sie zu dritt. Die beiden anderen Geschäftsführer sind extrem gut verdrahtet, schon ewig dabei – und bei dem angestrebten Wandel alles andere als hilfreich. Meine Klientin muss sich ziemlich zusammenreißen, um diplomatisch zu bleiben. Sie versucht, sie so zu nehmen, wie sie sind, und die STÄRKEN für den raschen Wandel zu nutzen. Bei dem einem gelingt das richtig gut. Er ist grundsätzlich auf ihrer Seite, aber einfach kein Visionär, Wandel macht ihm erstmal Angst. Er ist bemüht, aber er kann das, was meine Klientin von ihm als Geschäftsführer verlangt, nicht erfüllen. Im Coaching entwickeln wir einen Plan: Wichtige Meetings machen die beiden ab jetzt zu zweit. Sie vertritt die Vision und wo es hingehen soll, er spricht die Sprache der Mitarbeiter und signalisiert, dass er hinter ihr steht. Das motiviert die Mitarbeiter dazu, mitzugehen. Es dauert alles viel länger, als sich meine Klientin das vorgestellt hat, aber sie verliert so nicht den Draht zu den Mitarbeitern. Der dritte Geschäftsführer hat sich durch seine Art selbst disqualifiziert. Der Aufsichtsrat erkennt nun, dass er über Jahre hinweg gegen das Unternehmen gearbeitet hat und zieht die Konsequenz. Gut, dass meine Klientin hier nicht vorgeprescht ist, sondern abgewartet hat – denn das hätte bei der Belegschaft evtl. für Angst um den Arbeitsplatz gesorgt.

4.) Unterstützen statt belehren

Auch an der Art der Kommunikation feilen wir im Coaching. Die 50-Jährige ist es aus dem Konzern gewohnt, dass sie schnell und zackig Lösungen präsentiert. Das kommt in dem Familienunternehmen allerdings gar nicht gut an. Daher probiert sie, BEVOR sie etwas anbietet, erstmal dem anderen eine Frage zu stellen: „Interessiert Sie mein Eindruck dazu? Darf ich Ihnen meine Eindrücke schildern?“ Das ist zwar jeweils nur ein Satz, aber die Wirkung ist unglaublich positiv: Was vorher als Belehrung verstanden wurde, kommt jetzt als Unterstützung an.

5.) Prioritäten setzen

Ganz wichtig in dieser Zeit: Immer wieder Prioritäten setzen. Um was geht es wirklich? Was ist JETZT das Wichtigste? Und täglich zum Tagesbeginn stellt sich die Klientin die Frage: Was ist HEUTE für mich hilfreich? So erlangt sie schnell die für sie notwendige Klarheit und kommt zielgerichteter und konkreter ins Handeln.

Führungskräfte-Coaching: sinnvolle Begleitung für den Jobwechsel

Egal, ob Sie in ein großes Unternehmen wechseln möchten, einen Firmenwechsel innerhalb eines Konzerns anstreben oder an die Spitze eines Familienunternehmens wollen: Ein Jobwechsel als Führungskraft ist immer eine ganz unterschiedlich gewichtete Herausforderung. Im Führungskräfte-Coaching analysieren wir daher Ihre individuelle Situation – und erarbeiten gemeinsam eine Strategie, mit der der Wechsel in die Geschäftsführung eines anderen Unternehmens gelingt.

Sie hören lieber?

Hier geht es zu den passenden Podcast-Folgen:

„Wie gelingt der Wechsel als Geschäftsführerin vom Konzern zum großen Familienunternehmen?“| NEU ALS CHEF #24

„Wie gehe ich den Veränderungsprozess als neue Geschäftsführerin in einem Familienunternehmen an?“ | NEU ALS CHEF #26

Aufstieg in die Geschäftsführung: Voraussetzungen für den Erfolg (2/2) | AUFSTIEG AN DIE SPITZE #145

Herzliche Grüße

Gudrun Happich

Gudrun Happich

PS: Sie planen einen Jobwechsel oder stecken schon mittendrin? Und stehen plötzlich vor unerwarteten Herausforderungen? Kontaktieren Sie mich unter info@galileo-institut.de – und wir erarbeiten gemeinsam eine Strategie für einen reibungslosen Übergang!

Bildquelle: Vlada Karpovich / pexels

Executive-Coach Gudrun Happich schreibt auch bei
CIO Magazine
Harvard Business Manager