Der Leistungsträger - Blog

Und dann kam es anders als gedacht – im Fall meiner Klientin ging es um den Neuen im Vorstand.  Vielversprechend und mit Vorschusslorbeeren ausgestattet war dieser gestartet und auch meine Klientin war zunächst überzeugt, dass dieser für das Unternehmen eine Bereicherung sein würde. Doch schon wenige Tage nach dem Start entpuppte er sich als vollkommene Fehlbesetzung. Ihm ging es nur um sich selbst und niemals um das Unternehmen. «Eine echte Katastrophe», sagte sie mir im Coaching, «für jeden im Unternehmen und für das Unternehmen.»

Doch statt die Dinge auszusitzen und zu hoffen, dass es irgendwann und irgendwie schon besser werden würde, schloss sich das C-Level inklusive meiner Klientin zusammen. «Allen war klar, das geht einfach nicht.» Final blieb dem Vorstandsvorsitzenden nichts anderes übrig, als den Mann nach 14 Monaten wieder aus dem Amt zu entlassen. Zum Wohl des Unternehmens.

Das Top-Management ist kein sicherer Hafen

Laut der CEO Success Studie von Strategy&, der Strategieberatung von PwC, lag die Wechselquote an der Spitze von deutschen Unternehmen im Jahr 2019 bei 22,5 Prozent. Das Jahr davor betrug sie 20,6 Prozent und noch ein Jahr vorher lag sie bei 16 Prozent. Corona hat nun dafür gesorgt, dass die Zahlen in den letzten beiden Jahren nicht weiter gestiegen sind. Wo schon Unsicherheit, wollte man nicht noch weiter verunsichern. Doch es ist abzusehen, dass die Quote mit den Jahren weiter steigen wird, davon gehen die Experten aus. Und nein, die meisten scheitern nicht per se an schlechter Performance, rund 70 Prozent der Manager scheitern an «Problemen mit der Wahrnehmung ihrer Arbeit und Persönlichkeit». Das Beispiel vom angesprochenen Vorstandsmitglied ist daher keine Seltenheit, sondern an der Tagesordnung. Viele werden gegangen, andere gehen, weil sie sich selbst einfach nicht am richtigen Platz fühlen und ihre Erwartungen enttäuscht wurden.

Viele zweifeln, ob es denn wirklich passt

Das neue Jahr ist gerade ein paar Tage alt und vielleicht haben Sie auch ein neues Mitglied im C-Level begrüßen dürfen/müssen. Vielleicht sind sogar Sie selbst auf- oder in neuer Position ins Top-Management eingestiegen, und haben nach dem ersten Beschnuppern festgestellt, dass es nicht ganz so läuft wie geplant, oder wie Sie sich das vorgestellt hatten. Eventuell sind Sie verunsichert: Was soll der/die hier?

Beziehungsweise leiden Sie unter Selbstzweifeln, weil Sie nicht mehr sicher sind, ob die neue Rolle wirklich Ihre Rolle ist. Haben Sie es anders erwartet? Vom neuen Teammitglied oder sich selbst? Sind Sie enttäuscht – vom neuen Teammitglied oder sich selbst? Wenn Sie nun nicken, lassen Sie es mich so sagen: Sie sind nicht allein. Es wird unheimlich viel Geld ins Recruiting gesteckt, beide Seiten umgarnen sich über Wochen, es wird viel geredet und dennoch zeigt die Praxis nach Stellenantritt: passt nicht. Und das immer öfter, wie die oben genannten Zahlen zeigen. Und «passt nicht» kann auch denjenigen treffen, der anfängt und findet: Zweifel? Angst? Versagen? Kenne ich nicht. Und in ihren Augen läuft es ab Tag 1 super. Sie sind überzeugt: Kündigung? Das kann mir nicht passieren. Das Unternehmen braucht mich. Denn wenn nicht ich, wer dann!? Doch kaum sind die Flitterwochen vorbei, steigt der Druck, der Wind wird rauer… den Rest können Sie sich denken…

Heute, am 16. Februar, erscheint mein neues Buch C-Level – im Top-Management erfolgreich werden, sein und bleiben. Die Quintessenz aus über 25 Jahren als Executive Coach plus viele Jahre, die ich selbst im Top-Management gearbeitet habe. Mein Ziel war es, ein Standardwerk zu schreiben, das sowohl denjenigen unterstützt, der zum ersten Mal eine Rolle im C-Level übernimmt, aber genauso auch alte Hasen motiviert, in der x-ten Rolle im Top-Management noch Bestleistung zu zeigen. Denn was mich die Praxis gelehrt hat:

Keine Rolle im C-Level – und selbst wenn die Titelbezeichnung die gleiche bleibt – ist gleich.

Jedes C-Level hat seine eigenen Spielregeln, jede Unternehmenskultur ist anders, jede Organisation hat seine eigene Politik. Und die muss man kennen, wenn man Dinge an der Spitze bewegen will, positive Dinge. Ansonsten sorgen fehlerhafte Erwartungshaltungen und Annahmen für ein schnelles Scheitern an der Spitze oder sind Beginn eines Leidensweges, der auch gestandene Führungspersönlichkeiten an ihre Grenzen bringen kann.

Bei Zweifeln hilft nur absolute Ehrlichkeit

Das zu Beginn beschriebene Beispiel ist keines, das sich oft zeigt. Aber genau darum finde ich es so eindrücklich. Dass sich gleich ein ganzes C-Level dafür einsetzt, eine Fehlbesetzung an der Spitze rückgängig zu machen, weil er einfach nicht zum Unternehmen und seinen Werten passt, ist selten. In diesem Fall waren sich aber alle einig, dass der Neue dem gemeinsamen Erfolg wenig zuträglich sein würde. Auch wenn der das eben ganz anders sah, getreu dem schon angesprochenen Motto: Wenn nicht ich, wer dann?! Im «Normalfall» ist es nämlich der Vorgesetzte, dessen Erwartungen man nicht gerecht wird und der dann dafür sorgt, dass man schnell wieder gehen muss beziehungsweise erst einmal ein ernstes Gespräch führt. Oder aber man ist es eben selbst, der nach wenigen Wochen merkt, irgendwie nicht am richtigen Platz zu sein. In diesem Fall hilft Ihnen nur ehrliche Selbstreflexion:

  • Warum wollten Sie diese Rolle?
  • Was hat man Ihnen versprochen?
  • Was haben Sie sich versprochen?
  • Haben Sie detailliert im Vorfeld abgeklärt, welche Erwartungen man an Sie hat und wussten Sie, welcher Erwartungen Sie an das Unternehmen hatten?
  • Haben Sie sich eingehend mit der Unternehmenskultur und die in diesem C-Level geltenden (unausgesprochenen) Spielregeln auseinandergesetzt? Im Vorfeld und vor allem in den ersten beiden Wochen?

Es gibt immer eine Chance, Dinge zu ändern – Sie müssen aber wollen

Die gute Nachricht. Auch wenn der Start holprig war und Sie vielleicht denken, der falsche Mensch am falschen Ort zu sein – oder andere das denken –, lassen Sie mich Ihnen sagen: Noch ist es nicht zu spät. Sie können das Ruder noch rumreissen. Suchen Sie das Gespräch mit dem Vorgesetzten, machen Sie diesen zu Ihrem Verbündeten. Holen Sie den Austausch über Ihre jeweilige Erwartungshaltung nach. Reflektieren Sie Ihr Handeln und Denken, tun Sie das am besten mit einem professionellen Sparringspartner. Und selbst wenn die Situation festgefahren zu sein scheint, oft gibt es immer eine Möglichkeit, in der neuen Rolle erfolgreich zu sein.

Hören Sie dazu auch in die folgenden Podcasts hinein.


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Herzliche Grüße

Gudrun Happich

Gudrun Happich

Foto von Edmond Dantès / Pexels

Executive-Coach Gudrun Happich schreibt auch bei
CIO Magazine
Harvard Business Manager