Der Leistungsträger - Blog

Sie haben die Chance, Führungskraft zu werden. Ohne Erfahrung, ohne Bewerbung oder Vorstellungsgespräch – dafür aber gleich in einer hohen Position an der Unternehmensspitze? Was in Konzernen undenkbar ist, liegt im Mittelstand im Bereich des Möglichen. Und ist für Sie als angehende Führungskraft mit ganz besonderen Herausforderungen verbunden.

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Im Mittelstand läuft vieles anders

Es ist kein Geheimnis, dass im Mittelstand vieles anders läuft als bei großen Konzernen. Mittelständische Unternehmen

  • werden oft seit Generationen familiengeführt,
  • sind tendenziell hierarchischer organisiert,
  • zeichnen sich häufig durch eine werteorientierte Unternehmensführung aus und
  • sind stark auf den Eigentümer zentriert.

Und auch die Führungsspitze von Mittelständlern unterscheidet sich oft vom Konzern. Selbst größere Mittelständler setzen nicht selten auf Top-Führungskräfte, die irgendwann als reine Fachkraft im Unternehmen angefangen haben – nicht selten als Auszubildende. Das heißt auch: Im Mittelstand ist es noch möglich, ohne Erfahrung eine Top-Führungsposition zu übernehmen! Gerade, wenn Sie sich als Fachkraft über Jahre oder Jahrzehnte im Unternehmen verdient gemacht haben, und eine gute Beziehung zur Führungsebene – womöglich auch zum Chef selbst – haben, könnte sich dieser irgendwann mit einem entsprechenden Angebot bei Ihnen melden. Insbesondere dann, wenn Sie der für den Mittelstand typischen Hands-on-Mentalität entsprechen und selbst ein echter Macher und Leistungsträger sind.

Unternehmensnachfolge: unverhoffte Aussicht auf eine Führungsposition

Besonders oft geschieht dies im Zuge der Unternehmensnachfolge im Mittelstand. Womöglich steigen Sie beispielsweise zeitgleich mit Unternehmersohn oder -tochter an die Spitze auf, weil diese Ihre Expertise und Loyalität schon seit langem schätzt. Unter Umständen fehlt aber auch ein familiärer Nachfolger für das Geschäft – und Sie bekommen als (heimlicher) Protegé des Chefs plötzlich sogar die Geschäftsführung in Aussicht gestellt! Und das obwohl, Sie sich selbst nie in den Vordergrund gedrängt und mit einem entsprechenden Angebot nicht im Entferntesten gerechnet haben.

Eine riesige Chance, die aber auch Befürchtungen weckt. „Ich als Führungskraft? Ganz ohne Erfahrung? Und dann auch noch gleich eine Spitzenposition? Kann das gut gehen?

Die gute Nachricht zuerst: Da im Mittelstand auch an der Unternehmensspitze Inhalte im Fokus stehen, sind politische Machtspiele deutlich seltener als in Konzernen. Und auch wenn Sie schon jenseits der 40 sind und damit vergleichsweise spät Führungskraft werden, können Sie schnell und gut in Ihre neue Führungsrolle hineinwachsen.

Erste Top-Führungsposition im Alter: Führungskompetenzen können erlernt werden

Dass der Karrierezug spätestens mit 40 Jahren abgefahren ist, ist schlicht nicht wahr. Hören Sie nicht auf kritische Stimmen, die behaupten: „Wer bis zu diesem Zeitpunkt keinen Führungsjob hat, wird es auch nicht mehr schaffen.“ Die Meinung, dass man ab der Lebensmitte zu alt sei, um das erste Mal zu führen, ist veraltet. Erst ganz allmählich sickert auch bei Personalverantwortlichen in größeren Unternehmen die Erkenntnis durch, dass sich Führungskompetenz nun mal nicht in Schablonen pressen lässt. Nein, man muss kein dominanter Ego-Ellenbogentyp sein, um sich ganz oben durchsetzen zu können – es gibt auch eine ganz andere, weichere Art der Durchsetzungskraft und Zielstrebigkeit. Genauso wenig muss man ein bestimmtes Alter haben, um führen zu können. Für essenziell halte ich dagegen die Bereitschaft, dazu zu lernen, sich auf Neues einzulassen und Führen auch als Kompetenz zu begreifen, die erlernt werden muss.

Interessant finde ich in diesem Zusammenhang vor allem die Studie des Wirtschaftspsychologen Uwe Peter Kanning. Dabei stellte sich im Rahmen eines Assessment-Centers heraus, dass die Führungseignung völlig unabhängig von der Führungserfahrung ist. Hier können Sie mehr zu den Studienergebnissen lesen.

Werden Sie als Fachkraft – z.B. im Zuge des Generationswechsels – gebeten, eine hochrangige Führungsposition in einem mittelständischen Unternehmen zu übernehmen, dürfen Sie daher ernsthaft und guten Gewissens erwägen, anzunehmen – sollten sich aber zugleich gründlich auf Ihre neue Verantwortung vorbereiten.

5 Tipps für Führungskräfte ohne Erfahrung

Egal, ob Sie erst in Ihren 20ern oder schon jenseits der 40 oder 50 sind: Wenn Sie ohne Erfahrung Führungskraft werden sollen, ist das immer eine Herausforderung. Die folgenden 5 Tipps helfen Ihnen dabei, in Ihre neue Rolle hineinzuwachsen und die Kunst der Mitarbeiterführung zu erlernen.

1.) Klären Sie Ihre Motivation: Wollen Sie wirklich Führungsverantwortung?

Sehr häufig bedenken Fachkräfte, die schon lange im Unternehmen tätig sind, diese Frage überhaupt nicht. Sie sind überwältigt und sagen schlicht aus Pflichtbewusstsein oder Loyalität zum Unternehmen zu. Tappen Sie nicht in diese Falle, sondern klären Sie vor einer Zusage für sich Ihre eigenen Bedürfnisse. Ansonsten treten über kurz oder lang ernsthafte (innere wie äußere) Konflikte auf, die nicht nur Ihre eigene (psychische) Gesundheit, sondern auch das Fortbestehen des Unternehmens gefährden können!

2.) Bereiten Sie sich auf Ihre neue Position vor

Der Wechsel von der Fach- zur Führungskraft gleicht einer Metamorphose. So wie sich die Raupe zum Schmetterling entwickelt, müssen auch Sie sich verändern. Im Außen wie im Innen. Damit diese Transformation möglichst reibungslos verlaufen kann, müssen Sie sich gründlich auf Ihre neue Rolle als Führungskraft vorbereiten. Was sind die Aufgaben, Strukturen, Abläufe und Prozesse Ihrer neuen Führungsposition? Wer nimmt Sie als Konkurrent wahr oder neidet Ihnen den Erfolg? Gibt es im Team Mitarbeiter, die sich bei der Verteilung der neuen Spitzen-Positionen womöglich übergangen gefühlt haben?

3.) Kommunizieren Sie Ihre neue Rolle konsequent

Sie waren viele Jahre lang Fachkraft und kennen Ihr Team womöglich schon sehr lange. Und natürlich dürfen Sie auch weiterhin einen lockeren, kollegialen Umgang zu Ihren Mitarbeitern haben. Trotzdem müssen Sie Ihre neue Rolle auch im Team von Anfang an möglichst klar kommunizieren. Soll heißen: Zeigen Sie Kommunikationsstärke und machen Sie klar, dass Sie nun der Entscheider sind. Weil Sie (noch) keine Erfahrung als Führungskraft haben, passiert es leicht, dass Ihr Team Sie nicht ausreichend in Entscheidungsprozesse einbindet, Oder Sie bei Problemen direkt übergeht und sich an Ihren Vorgänger oder Chef wendet. So entwickeln sich Parallelstrukturen, die Ihre Autorität und Ihren Gestaltungsspielraum sukzessive untergraben.

4.) Treten Sie aus dem Schatten Ihres Vorgängers

Auch wenn gerade im Mittelstand hierarchische Führungsmodelle weit verbreitet sind, dürfen, sollen und müssen Sie Ihren eigenen Führungsstil finden. Gerade, wenn Sie die Geschäftsführung übernehmen und der Eigentümer, wie für Mittelständler typisch, eine sehr prägende Rolle im Unternehmen eingenommen hat, kann dieser Schritt durchaus herausfordernd sein und Widerstände im Team erzeugen. Trotzdem müssen Sie aus dem Schatten Ihres Vorgängers treten. Nur so können Sie langfristig führen, ohne sich zu verbiegen – und wirklich Spaß an Ihrer neuen Rolle finden.

5.) Sichern Sie sich Unterstützung

Sie müssen in Ihre Führungsposition nicht allein hineinwachsen. Idealerweise unterstützt Sie Ihr Chef oder Vorgänger beim Übergang und stärkt Ihnen auch vor dem Team den Rücken, bevor er sich ggf. aus der Unternehmensspitze zurückzieht. Aber auch ein externer Sparringspartner mit eigener Top-Management-Erfahrung ist in der Phase des Übergangs Gold wert.

Herzliche Grüße

Gudrun Happich

Gudrun Happich

PS: Sie waren lange Fachkraft in einem mittelständischen Unternehmen und sollen nun ohne Erfahrung (Top-)Führungskraft werden? Als Coach für den Mittelstand verstehe ich Ihre ganz speziellen Herausforderungen. Kontaktieren Sie mich unter info@galileo-institut.de – und wir stärken Ihre Führungsfähigkeiten und meistern die anstehende Transformation gemeinsam!

Bild: ASDF / istockphoto.com

Executive-Coach Gudrun Happich schreibt auch bei
CIO Magazine
Harvard Business Manager