Der Leistungsträger - Blog

Gerade rekrutiert und schon wieder weg – in mittelständischen Unternehmen zeigt sich eine hohe Mitarbeiterfluktuation im Topmanagement. Das geht ins Geld und man fragt sich: Warum? Unzufriedenheit besteht über diese Situation auf beiden Seiten. Denn auch die Manager*innen selbst verstehen nicht, was schiefgelaufen sein könnte. So haben sich viele bewusst dazu entschieden, aus dem Konzern in ein mittelständisches Unternehmen zu wechseln. Und nun gibt es den ganzen Tag nur Probleme und man ist frustriert.

Mitarbeiterfluktuation kostet Geld, viel Geld

Laut einer Studie der Personalberatung InterSearch Executive Consultants zur Fluktuation von Führungskräften im Mittelstand sind ein Drittel der Topmanager aus mittelgroßen Unternehmen aktiv auf der Suche nach einem neuen Job. Weitere 40 Prozent stehen einer neuen Aufgabe in einem anderen Unternehmen offen gegenüber. Sie suchen nicht aktiv, sind für Headhunter und Recruiter aber ansprechbar. Erschreckend: Viele sind noch gar nicht lange in der aktuellen Position beschäftigt. Und die Entscheidung aus dem Konzern in den Mittelstand zu wechseln, war eine ganz bewusste.

Für die HR-Abteilungen bedeutet diese Fluktuation der Mitarbeiter im Topmanagement nicht nur Stress, weil jetzt erneut – und das in Zeiten von Führungskräftemangel – jemand «Neues» gefunden werden muss. Es kostet vor allem viel Geld. Laut einer Analyse von Deloitte kostet die Mitarbeiterfluktuation pro Stelle einen mittelständischen Betrieb 13.705 Euro! Dazu kommen dann noch die internen Probleme mangelnder Mitarbeiterbindung, da sich gehende Führungskräfte nicht selten freistellen lassen und somit die anstehenden Aufgaben von anderen Mitarbeitern übernommen werden müssen. Vom Image-Verlust, wenn einem immer wieder Topmanager*innen weglaufen, mag man gar nicht reden.

Perfekt ausgebildet, aber unpassend

Mich selbst überraschen die Ergebnisse der Studie nicht. Ich erlebe im Coaching immer wieder Klienten, die – frustriert von ihrer Management-Tätigkeit in einem Konzern – vom Mittelstand schwärmen. Schließlich sei dort die Unternehmenskultur besser, man könne noch was bewegen … es «menschle mehr». Doch wovon sie ausgehen, basiert oft auf der Theorie oder dem Hören-Sagen. Sie alle verfügen über einen großartigen Lebenslauf, haben Karriere gemacht, sind fachlich kompetent und auch sozial geschult. Doch der Mittelstand ist eben nicht per se besser, er ist vor allem anders. Und das sorgt für Verunsicherung, Zweifel und der Wunsch nach Veränderung wächst mit jedem Arbeitstag.

Häufig scheitern Leistungsträger, die aus einem Konzern kommen und Führungsaufgaben im Mittelstand übernehmen, weil sie die Gepflogenheiten im mittelständischen und damit oft auch inhabergeführten Unternehmen nicht kennen oder nicht beachten (wollen). Inhabergeführt bedeutet in der Regel zudem in sehr vielen Fällen familiengeführt. Das Miteinander im Betrieb ist hier oft persönlicher und auf jeden Fall auch emotionaler. An der Spitze steht zudem ein Inhaber, der seine Entscheidungen oft unter dem wirtschaftlichen, aber eben auch persönlichen Aspekt trifft. Da kann es dann schnell auch mal «haken» zwischen Management und Inhaber.

Etwas Neues ist nicht immer besser

Wie also könnte eine Lösung aussehen? Ein Drittel der Führungskräfte im Mittelstand – in den Konzernen wäre die Zahl sicher noch deutlich höher – sind auf dem Absprung. Diese Fluktuation unter Führungskräften befriedigt weder Arbeitgeber noch -nehmer. Für mich ist der größte Stolperstein, dass bei vielen Konzernen, aber durchaus auch bei Mittelständlern neben den schon angesprochenen internen Gegebenheiten eben immer noch die Gewinnmaximierung im Vordergrund steht, 150 % Leistung sind das Maß und das eben zu einem im Verhältnis zum Konzern geringeren Gehalt. Gleiches gilt für Lohnneben- oder Arbeitgeberleistungen. Der Weggang ist hier häufig die logische Konsequenz.

Der Unternehmenswechsel ist häufig der erste Lösungsweg, den unzufriedene Führungskräfte einschlagen, getreu dem Motto «Hauptsache weg hier». Doch entpuppt sich dieser Weg häufig als Sackgasse. Das Problem beim (übereilten) Weggang ist das Thema Flucht. Menschen gehen, um sich der Situation nicht länger stellen zu müssen. Schwierig, wenn es um Führungsverantwortung geht. Meine Frage an meine Klienten ist somit sehr direkt, aber das soll sie auch sein: Ist es woanders wirklich besser? Macht es nicht mehr Sinn, das Unternehmen zu verändern, indem man die Spielregeln mitgestaltet, Verbündete sucht und eine intelligente (Re)volution von Innen anzettelt? Die Antwort ist im ersten Schritt oft sehr verhalten, man mag sich ja die (Fehl)Entscheidung nicht eingestehen.

Besser liegt in der Hand jedes einzelnen

Führung ist mehr als einem Team an Menschen zu sagen, was sie tun sollen, sie zu kontrollieren und zu bewerten. Es ist heute mehr als je zuvor die Übernahme von Verantwortung. Dabei ist es besonders wichtig, jedem Menschen im Team Aufmerksamkeit zu schenken. Auf der anderen Seite scheitern die Führungskräfte, weil sie es nicht schaffen, zur (inhabergeführten) Geschäftsführung eine Beziehungsarbeit aufzubauen. Führen bedeutet Beziehung, im Mittelstand bedeutet es, dass dem auch ein nicht zu unterschätzender Teil «Empathie» beigemischt wird.

Eine Führungskraft ist also immer auch ein Kommunikator, ein Problemlöser, irgendwie ein Psychologe und Mentor, und zudem Vorbild. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe und im Mittelstand erfordert sie oftmals noch mehr Feingefühl und Überblick. Gerade die letzten beiden Jahre haben gezeigt, wie wichtig der Kontakt zum Mitarbeiter wirklich ist. Es war nicht einfach, während der Pandemie und der damit verbundenen Remote- und Homeoffice-Arbeit am Mitarbeiter «dran zu sein». Doch es war auch da möglich, wenn man als Führungskraft Einsatz zeigt.

Machen wir doch aus dem «Hauptsache weg…»-Gedanken einen, der hinterfragt, ob Mittelstand passt und wenn, dann was das wirklich realistisch bedeutet. Lassen Sie uns im Vorfeld darüber reden, was zur Flucht antreibt und ob das Ziel «Mittelstand» wirklich der Ort ist, an dem Sie Ihr Bestes geben können.

Ich freue mich über Ihre Kommentare zum Thema Mitarbeiterfluktuation, noch mehr über Fragen!

Herzliche Grüße

Gudrun Happich

Gudrun Happich

Bildquelle: Depositphotos #19621611 ©limbi007

Executive-Coach Gudrun Happich schreibt auch bei
CIO Magazine
Harvard Business Manager