Der Leistungsträger - Blog

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Was bedeutet für mich nachhaltige Führung? Neulich habe ich gelesen, dass ein großes Pharma- und Chemieunternehmen aktuell kein Geld mehr in die Forschung steckt und nun kräftige Gewinne einfährt. Das ist für mich das Gegenteil von Weitsicht. In ein paar Jahren wird dieser Forschungsstopp bittere Konsequenzen haben, es wird heissen „Innovationsvorsprung verpasst“. Solchermaßen erkaufte Gewinne sind die Verluste von morgen. Das erkennt jeder mit gesundem Menschenverstand. Und man fragt sich: Was sind denn hier bitteschön für Führungskräfte am Werk?

Es sind Unternehmer und Manager, die nur in ihren Lebens- und Wirkungszyklen denken und nicht darüber hinaus. „Nach mir die Sintflut“ könnte man dieses Denken überschreiben. Ich unterstelle mal, dass ihnen klar ist, dass mittel- und langfristig ein anderes Handeln sinnvoll wäre. Aber darum geht es ihnen schlicht nicht. Ihnen geht es um den schnellen Erfolg, die tolle Prämie – das JETZT. In ein paar Jahren sind sie ja ohnehin wieder weg. Zu dem Unternehmen, für das sie tätig sind, haben sie über den Moment hinaus keinen Bezug. Und sie fühlen keine Verantwortung, nicht für die Mitarbeiter und nicht – im größeren Kontext – für die Gesellschaft.

Manche Führungskräfte fühlen sich zudem auch schlicht überfordert. In einer aktuellen Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, der Stiftung Neue Verantwortung und der Unternehmensberatung Egon Zehnder International klagen deutsche Spitzenführungskräfte darüber, dass sie in der vernetzten Welt immer schneller Entscheidungen treffen müssten. In einem Artikel auf Zeit-Online heißt es dazu: „Die Befragten wünschen sich einen neuen Führungsstil, der sich an nachhaltigen Werten orientiert. Aber sie wissen nicht, wie dieser entstehen kann.“

Aber natürlich gibt es auch Unternehmen, in denen Nachhaltigkeit in der Führung bereits praktiziert wird. Etwa der Familienunternehmer, der bei all seinen strategischen Überlegungen schon mögliche Nachfolgegenerationen im Blick hat, nicht sich, sondern das Wohl des Unternehmens in den Mittelpunkt stellt. Oder ein leidenschaftlicher Unternehmer wie Steve Jobs, dem eine schwere Krankheit die Lebenszeit raubt und der alles daran setzt, bestehende Unternehmens-Werte weiter zu geben. Nachhaltige Führung – das heißt für mich unter anderem, die Größe zu haben, über sich hinaus zu denken!

Meine Arbeit mit Leistungsträgern in Führungsverantwortung basiert auf der bioSystemik®. Denn wir können von der Natur, dem „erfolgreichsten Unternehmen der Welt“ (F.Vester, Biokybernetiker) gerade was das Thema „Nachhaltige Führung“ angeht, eine ganze Menge lernen.

„Was dem Schwarm nicht nützt, das nützt auch der einzelnen Biene nicht“ Marc Aurel, römischer Kaiser

Wolfsrudel etwa sind – wie fast alle Lebewesen, die in Gruppen leben und über die Fähigkeit individueller Erkennung verfügen – hierarchisch organisiert. Hierarchie wird häufig mit Herrschaft, Autorität und der Hackordnung um die Alpha-Position gleichgesetzt. Bei Wölfen zeigt sich jedoch ein vielfältigeres, dynamisches soziales Gefüge, in dem die Leittiere zwar die primäre Führungsaufgabe erfüllen, aber nur situationsbezogen autoritär auftreten. Alpha-Wölfe führen ihr Rudel mithilfe ihrer sozialen Kompetenzen. Sie pflegen Beziehungen und beweisen soziale Intelligenz. Wenn zwei sich streiten und ineinander verbeißen, lenkt der Alpha-Wolf einen der beiden ab, fordert ihn zum Spiel auf und stellt den Frieden wieder her. Diplomatische Fähigkeiten oder Soft Skills spielen hier also in der Führung eine große Rolle. Bei Elefanten führen Leitkühe die Gruppe an, die in der Aufzucht von Jungtieren Erfolge vorzuweisen haben. Es kommen im Tierreich in der Regel nur Führungskräfte nach oben, die ihre Qualifikation wirklich bewiesen haben. Im Wolfsrudel wird keines der Tiere zum bloßen Handlanger. Es gibt eine Handvoll Regeln, an die sich alle halten müssen, davon abgesehen hat jeder Wolf viele Freiheiten. Entsprechend besonderer Fähigkeiten werden die Wölfe eingesetzt, z.B. werden körperlich starke Tiere evtl. als Ordnungshüter eingesetzt, ohne gleich dem Leitwolf Konkurrenz zu machen. Kooperation und nicht der Wettbewerb ist das wichtigste Prinzip.

Für mich ein wunderbares Beispiel für vertrauensorientierte, nachhaltige Führung ist auch das Ökosystem Fluss. Verschiedenste Organismen und Systeme sind in ihm sinnvoll aufeinander abgestimmt, sie können nur miteinander existieren. Das System stimmt sich immer wieder aufeinander ab, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, so dass das große Ganze weiterhin funktioniert und auf das gemeinsame Ziel ausgerichtet bleibt. Vertrauen statt Kontrolle – für mich die Basis nachhaltiger Führung. Vertrauen kann ein weitaus effektiveres Regelungsinstrument sein als Kontrolle. Ich nenne diesen Führungsstil Social Leadership. Den Mitarbeitern also klare Leitlinien geben im Sinne von Orientierung, Rahmenbedingungen, aber nicht im Sinne von Anweisungen „Du hast das und das genau so und so zu tun…“. Sie dann eigenverantwortlich tätig sein lassen, in regelmäßigen Abständen Überprüfung und gegebenenfalls Neujustierung der Leitlinien. Selbstorganisation bedeutet gegenseitige Wertschätzung durch das Wissen, dass jeder sein Bestes für das Ganze gibt. Das gelingt natürlich nur, wenn jeder Einzelne sich mit der Vision oder dem Ziel identifizieren kann und seine eigenen Ziele in dem großen Ganzen auch wiederfindet. Wenn durch die Gemeinschaft große Ziele erreicht werden können, gleichzeitig jeder auch seine persönlichen Ziele umsetzen kann, profitieren alle davon.

Qualitatives Wachstum

Von der Beobachtung der Natur, lässt sich übrigens auch lernen, dass nachhaltige Entwicklung von Systemen ganz allgemein keineswegs stabil verläuft, sondern in vorhersagbarer Weise Krisen durchläuft. Deren Bewältigung braucht wiederkehrend eine zum jeweiligen Zustand des Systems passende Form von Musterwechseln, von einschneidender Änderung des bisherigen Verhaltens. Das, was anfangs ein Vorteil ist, kann ohne rechtzeitigen Musterwechsel ins Gegenteil umkippen. Die Fähigkeit sich an Veränderungen anzupassen, ist daher ebenfalls ein wichtiger Aspekt des nachhaltigen Erfolgs. Ein System funktioniert einige Zeit, gedeiht, wächst und gerät dann an eine Grenze seines quantitativen Wachstums. Es gibt keinen Baum, der in den Himmel wächst. Am Anfang wächst er in die Höhe und in die Breite. Nach einiger Zeit wächst er zwar weiter, aber – man sieht es an den immer schmaler werdenden Jahresringen – er wechselt in den Modus „qualitatives Wachstum“. Nachhaltigkeit in der Führung heißt auch zu erkennen, dass grenzenloses quantitatives Wachstum eine Utopie ist. In Zukunft wird deutlich mehr das qualitative Wachstum in den Mittelpunkt rücken.

Best-Practice „Nachhaltigkeit in der Führung“

Nun noch ein aktuelles Praxis-Beispiel, das zeigt: In vielen Unternehmen wird nachhaltige Führung bereits praktiziert. Bodo Wagner (Werksleiter) war lange Jahre als Leistungsträger mit Führungsverantwortung in einem familiengeführten internationalen Dax Unternehmens tätig. Sein Vorgesetzter beauftragte mich mit den Worten. „Herr Wagner hat eine steile Karriere gemacht, er ist eine wichtige Säule im Unternehmen. Bitte stellen Sie – und zwar komplett offen und losgelöst von unserem Unternehmen – in der Arbeit mit Bodo die Frage in den Mittelpunkt: Was ist der beste Platz im Unternehmen für Herrn Wagner wirklich? Was ist seine Identität? Seine Kernkompetenz? Wo will er in den nächsten 10 Jahren hin?“ Das Unternehmen hat bei diesem Prozess also bewusst auch ein ungünstiges Ergebnis in Kauf genommen. Wenn der Leistungsträger zum Konkurrenten wechseln hätten wollen – auch ok.

Herr Wagner hat sich intensiv mit seinen Werten, seiner Identität auseinandergesetzt. Das Ergebnis war: Er identifiziert sich mit „seinem Unternehmen“ und sitzt auf der richtigen Position, kennt die nächsten Entwicklungsstufen, entwickelt Strategien seine nächsten Ziele zu erreichen. Sein Vorgesetzter kann nun – langfristig – mit der 100prozentigen Loyalität seines stärksten Leistungsträgers rechnen. Er weiß nun, in welchen Umfeld Bodo Wagner sein gesamtes Potential abrufen kann. Das heißt, weitere Fördermaßnahmen verpuffen nicht im Nichts, sondern setzen genau an der richtigen Stelle an. Kreativität, Engagement, Innovationsfreude, Leidenschaft und eine Unternehmenskultur, die auf MITeinander, MITdenken, Vertrauen und Selbstverantwortung basiert, sind die logische Schlussfolgerung. Die Kosten für einen solchen Entwicklungsbeschleunigungsprozess sind verschwindend gering im Vergleich zu dem Nutzen, den das Ergebnis für den Leistungsträger, den Vorgesetzten und auch das Unternehmen hat.

Am Donnerstag präsentiere ich Ihnen hier im Blog noch ein weiteres Best-Practice-Beispiel „Nachhaltigkeit in der Führung“, das mich fast ein bisschen sprachlos gemacht hat. Seien Sie gespannt…

Ihre Gudrun Happich

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Executive-Coach Gudrun Happich schreibt auch bei
CIO Magazine
Harvard Business Manager