Der Leistungsträger - Blog

Prophylaxe ist ein Begriff, der einem eigentlich eher beim Thema Zahnarzt als beim Coaching einfällt. Trotzdem geht er mir in letzter Zeit öfter durch den Kopf, weil mit scheint, als ginge es auch bei der Frage der Unterstützung von Führungskräften genau um dieses Thema: besser vorbeugen – oder eher hinterher den Schaden reparieren, so gut es eben noch geht.

Ganz aktuell sind zwei neue Coachings gestartet. Bei beiden geht es darum, wie man mit der neuen Rolle beim Aufstieg ins Topmanagment zurecht kommt.

Wie üblich sind beide Situationen prekär, denn es steht viel auf dem Spiel, der Erfolgsdruck und das Risiko sind hoch.

Allerdings haben die beiden Führungskräfte ganz unterschiedlich agiert:

Coaching als Rettung in höchster Not

Person A wurde vor einem Jahr befördert. Sie freute sich zwar über die damit verbundene Anerkennung, dachte aber insgeheim, dass diese Beförderung eigentlich ein Jahr zu früh kam. Sie stellte daher die Bedingung, von Beginn an einen Mentor und einen Coach zur Seite gestellt zu bekommen. Beides wurde genehmigt, allerdings sollte sie sich selbst darum kümmern.

Doch dann säuft die Führungskraft leider in der operativen Hektik ab, der Alltag und die Anforderungen überrollen sie, ein „Havarieprojekt“ jagt das nächste. Reagieren statt agieren steht auf der Tagesordnung. An den Mentor oder Coach dachte sie kaum noch.

Dann passiert’s: Eines Morgens klappt sie zusammen, im letzten Moment geht sie zum Arzt, der sie prompt gleich zwei Wochen krankschreibt. Die Führungskraft nimmt dies endlich zum Anlass, sich nach einem Jahr um einen Coach zu kümmern und wendet sich schließlich an mich.

Ich kann ihr verdeutlichen, dass wir jetzt die Chance haben, sie aus diesem Schlamassel zu befreien – auch wenn es jetzt vergleichsweise schmerzhafter, anstrengender und unter dem Strich auch „teurer“ wird. Hätte ich die Möglichkeit gehabt, sie von Anfang in ihrer neuen Rolle zu begleiten, wären viele Probleme gar nicht oder wahrscheinlich doch deutlich abgemildert aufgetreten. „Vorbeugen ist besser als heilen“, heißt es in der Medizin, und tatsächlich gilt das eben auch für Coachingprozesse beim Wechsel ins Topmanagement.

„Präventionscoaching“ beim Wechsel ins Topmanagement

Wie das aussehen kann, verdeutlicht vielleicht das zweite aktuelle Coaching.

Führungskraft B ist in einem extrem schnell wachsenden Unternehmen, das vor großen Herausforderungen steht, als einer der ganz wenigen „Internen“ befördert worden und berichtet nun direkt an den Vorstand. Sie ist jetzt für mehrere 100 Mitarbeiter verantwortlich. Umstrukturierungen und Veränderungen werden in naher Zukunft an der Tagesordnung sein. Das Risiko ist hoch, hier entscheidende Fehler zu machen.

Der Vorstand schlägt Person B vor, sich Unterstützung von einem Coach für Führungskräfte auf den oberen Ebenen zu suchen. Die Führungskraft nimmt diesen Vorschlag sofort an und begibt sich auf die Suche.

Im ersten Termin formuliert sie als primäres Ziel für die Zusammenarbeit, den Einarbeitungsprozess in der neuen Funktion zu meistern, und zwar mit allen von ihr noch deutlich präzisierten Spezifikationen. Darüber hinaus spricht die Führungskraft ein spannendes Thema an:

„Als Überflieger ist mir bislang in meinem Leben so ziemlich alles gelungen, und ich habe viel Anerkennung für meine Leistungen erhalten. Das hört sich eventuell komisch an, ist mir allerdings eher leicht gefallen. Doch möglicherweise wird das diesmal anders sein. Die Spielregeln im „Haifischbecken“ kenne ich noch nicht, und ich kann mir vorstellen, dass hier auch mit anderen Mitteln agiert wird. Ich bin relativ ungeübt im Umgang mit Kritik an meiner Person oder Arbeit und mit Rückschlägen. Hierauf möchte ich mich vorbereiten um zu wissen, wie ich mit solchen Situationen souverän umgehe.“

Diese Führungskraft geht also vorbeugend an das Thema Rollenwechsel heran und holt sich externe Unterstützung bei mir als Executive Coach – aus der realistischen Einschätzung heraus, dass ihr im Topmanagement andere Herausforderungen als bisher begegnen werden und sie einen guten Start hinlegen möchte. Die Wahrscheinlichkeit, auf diese Weise grobe Fehler zu machen, die nicht zuletzt auch dem Unternehmen schaden, sinkt dadurch beträchtlich.

Reibungsverluste minimieren

Gestern hatte ich übrigens genau zu diesem Thema ein Telefonat mit einer Personalerin aus einem sehr innovativen Unternehmen. Dort möchte man genau an dieser Stelle ansetzen und überlegt, tatsächlich jedem (!) Rollen- bzw. Positionswechsler einen Coach zur Seite stellen. Das Unternehmen hofft, so die Reibungsverluste, die mit einem Führungswechsel meist verbunden sind, zu minimieren.

Was halten Sie von dieser Vorgehensweise? Und wie sind Ihre eigenen Erfahrungen – konnten Sie in Ihrer bisherigen Laufbahn präventiv Coaching in Anspruch nehmen, oder haben Sie den Coach eher als Feuerwehr bekommen, wenn es schon an allen Ecken und Enden knirschte? Ich freue mich wie immer über Ihre Anmerkungen und Beiträge.

Sie hören lieber?

Hier geht es zu den passenden Podcast-Folgen:

Wie Sie Ihren ersten Tag im Top Management souverän meistern! | NEU ALS CHEF #14

Wie Sie Hidden Agenden und politische Spielregeln/Mikropolitik erkennen und damit umgehen? | NEU ALS CHEF #15

Herzliche Grüße

Gudrun Happich

Gudrun Happich

 

Executive-Coach Gudrun Happich schreibt auch bei
CIO Magazine
Harvard Business Manager