Der Leistungsträger - Blog

Am 10. Juni fand das dritte Treffen der Community . für Human Excellence statt. Die Teilnehmerin Heide Liebmann hat – wie schon nach dem ersten Treffen – ihre Eindrücke zusammengefasst und mir als Gastartikel zur Verfügung gestellt:

Das Reiss-Profile – was steuert Menschen im Innersten?

Auf dieses Treffen war ich wirklich gespannt. Alle Teilnehmer (außer mir, weil ich einen Test dieser Art bereits kannte) hatten im Vorfeld 128 Fragen beantwortet. Die Auswertung des so genannten Reiss-Profils soll dazu dienen, die grundlegenden Werte, Ziele und Motive einer Person zu bestimmen.

Das Reiss-Profile wurde von Prof. Dr. Steven Reiss, Professor für Psychologie und Psychiatrie an der Ohio State University (USA), entwickelt. Er ist ein führender Motivationsforscher, der sich der Frage widmet, was Menschen eigentlich antreibt in ihrem Leben.

Mit dem Reiss-Profile lassen sich die grundlegenden Werte, Ziele und Motive der menschlichen Persönlichkeit aufzeigen. Auf der Basis von 16 so genannten Lebensmotiven kann man sehen, welche dauerhaften individuellen Aspekte das Handeln eines Menschen von innen her bestimmen. Offenbar ist es so, dass jeder Mensch genau diese 16 Lebensmotive als Bestandteil seiner Persönlichkeit aufweist, nicht mehr und nicht weniger. Je nachdem, wie ausgeprägt das jeweilige Motiv ist, entsteht die Individualität einer Persönlichkeit. Daraus ergeben sich über 6.000.000.000 verschiedene Persönlichkeitsprofile.

Es geht beim Reiss-Profile also weniger um Typologien, wie in den üblichen Persönlichkeitsprofilen, sondern vielmehr darum, die individuelle Persönlichkeit in ihren unterschiedlichen Aspekten zu erfassen. Der Schwerpunkt liegt darin, die Selbsterkenntnis zu erweitern, sein Potenzial zu erkennen, mögliche Unterschiede in Selbst- und Fremdbild wahrzunehmen und seine Interaktion mit anderen Personen zu überprüfen.

Missverständnisse klären

Gudrun erläuterte uns zunächst das Prinzip, nach dem die Auswertungen aufgebaut sind. Alle 16 Grundmotive werden nämlich aufgelistet, und man sieht dann rote und grüne Balken, die als „niedrige“ bzw. „hohe“ Ausprägung gewertet werden. Das sorgte erst einmal für etwas Verwirrung: Wenn jemand eine sehr niedrige Ausprägung zum Beispiel beim Wert „Familie“ hatte, bedeutete das dann, ein Rabenvater zu sein?

Diese Interpretation konnte Gudrun zum Glück entkräften. Ein hoher Ausschlag bei einem Grundmotiv bedeutet zwar, dass man im Vergleich zu allen anderen Teilnehmern des Reiss-Profils eine sehr hohe Ausprägung in diesem Bereich hat. Es bedeutet aber nicht automatisch, dass man zum Beispiel seine Kinder nicht liebt, sondern einfach nur, dass man ein sehr hohes Bedürfnis nach Zeit für sich selbst hat.

Nachdem also diese Quelle von Missverständnissen ausgeräumt war, ging es jetzt darum zu schauen, wie gut es mit dem Reiss-Profil gelang, die jeweilige Persönlichkeit tatsächlich zu erfassen. Und welche Wirkungen hatte die Beschäftigung mit den inneren „Antreibern“ auf die Teilnehmer?

Wirkungen in der Gruppe

Wie sich zeigte, hatte das Reiss-Profil eine sehr hohe Trefferquote. Alle Teilnehmer fühlten sich insgesamt in ihrer Eigenwahrnehmung bestätigt. Spannend fand ich allerdings, dass die Teilnehmer, die ein eher „polares“ Profil aufwiesen, also sehr deutliche Ausprägungen in die ein oder andere Richtung zeigten, sich besser damit identifizieren konnten als Teilnehmer mit weniger eindeutigen Ausprägungen. Vielleicht ist es schwerer zu akzeptieren, dass das ganz und gar nicht „Mittelmaß“ bedeutet. Liegt in der Fähigkeit, Menschen mit stärkeren Ausschlägen über dem Durchschnittswert miteinander zu verbinden, nicht sogar eine ganz besondere Qualität?

Darüber haben wir jedenfalls lange diskutiert, und ich denke, das Thema wird uns sicher auch noch eine Weile beschäftigen.

Wir stellten auch fest, dass das Reiss-Profil dazu dienen kann, die eigenen Handlungen in Zukunft etwas besser zu verstehen, zu bewerten und auch zu steuern. Es kann als eine Art Instrument fungieren, mit dem man immer wieder abgleichen kann, ob man noch den eigenen inneren Werten folgt oder sich eher fremdbestimmen lässt.

Zum Beispiel lässt sich damit erkennen, wenn verschiedene Lebensbereiche miteinander im Clinch liegen, was ziemlich anstrengend ist. Wenn also jemand zum Beispiel einerseits sehr viel Zeit für sich braucht, andererseits aber auch sehr viel Anerkennung von außen benötigt, Familie hat und körperlicher Aktivität einen hohen Stellenwert gibt, dann können hier schon mal Konflikte entstehen. Das individuelle Profil liefert dann Ansätze zu überlegen, wie man manche Themen besser bündeln kann, um die Anstrengung zu reduzieren. Man kann dann zum Beispiel überlegen, ob sich das Thema Anerkennung in den Bereich der körperlichen Aktivität verlagern lässt. Oder ob es im Beruf eine Möglichkeit gibt, sich Zeitinseln zu schaffen.

Gerade wenn man es sonst nicht gewohnt ist, sich mit der eigenen Befindlichkeit zu beschäftigen, kann so ein Tool wirklich hilfreich sein, denke ich.

Ich freue mich schon auf den nächsten Termin im September und bin gespannt, was Gudrun sich für dieses Treffen ausdenken wird!

Herzliche Grüße

Gudrun Happich

Gudrun Happich

Executive-Coach Gudrun Happich schreibt auch bei
CIO Magazine
Harvard Business Manager