Der Leistungsträger - Blog

Unternehmensführung der Zukunft: Das ist kein inhaltsleeres Schlagwort, sondern ein überaus erfolgversprechender Ansatz einer neuen Unternehmenskultur, mit der Sie als Geschäftsführer, Vorstand oder C-Level Ihr Unternehmen nach vorne bringen können.

In diesem Artikel möchte ich Ihnen zeigen, wie die Unternehmensführung der Zukunft aussehen kann. Nicht abstrakt, sondern ganz konkret, an verschiedenen Fallbeispielen. Hier lesen Sie,

  • inwiefern Schlecker ein abschreckendes Beispiel sein kann,
  • wie dm seinen Mitarbeitern Freiräume lässt – und das höchst erfolgreich,
  • wie die Geschäftsführung von CSC davon profitierte, die Kontrolle abzugeben,
  • auf welche Weise The Energy Project eine mitarbeiterfreundliche Unternehmenskultur schuf und
  • warum das Amöbenmodell von Gore-Tex durchaus Vorbildcharakter hat.

Unternehmensführung der Zukunft: interessante Fallbeispiele

Bereits 2006 saß ich gemeinsam mit Managementberater Dr. Reinhard Sprenger in einer großen Runde zusammen, und wir diskutierten über die Unternehmensführung der Zukunft. Wir fragten uns, woran sich Erfolg festmacht und welche Unternehmenskultur voraussichtlich für nachhaltigen Erfolg sorgt. Damals machten wir diese Frage an zwei Drogerieketten fest, Schlecker und dm. Beide hatten zum damaligen Zeitpunkt zweistellige Wachstumsraten. Im Folgenden möchte ich unsere damalige Betrachtung noch um ein paar weitere Fallbeispiele ergänzen.

Fall 1: Schlecker – eine Kultur des Misstrauens

Interessant an der Gegenüberstellung von dm und Schlecker waren deren extrem unterschiedliche Unternehmenskulturen: Während bei Schlecker eine „Misstrauenskultur“ herrschte, bei der es um Macht, Neid, Kontrolle, Wettbewerb etc. ging, setzte dm auf eine Vertrauenskultur. Hier galten Werte wie Teamplay, Kooperation, Selbstverantwortung und Vertrauen. Es zeigte sich eindeutig, dass beide Modelle zunächst erfolgreich waren. Wie es mit Schlecker weiterging, ist allerdings gemeinhin bekannt. Das einstige Vorzeigeunternehmen musste 2012 Insolvenz anmelden.

Fall 2: dm – Freiraum für die Mitarbeiter

Ganz anders dm, das heute die umsatzstärkste Drogeriemarktkette Europas ist. Der Konzern ist mit mehr als 3.850 Filialen und knapp 66.000 Mitarbeitern in Mittel- und Südosteuropa aufgestellt. Ohne zentrale Steuerung. Schon in der FAZ vom 13.10.10 war zu lesen:

„Das Vorgeben von Zielen und Budgets empfinden wir als kontraproduktiv“, sagt Erich Harsch, Vorsitzender der Geschäftsführung. „Wir glauben, dass es dem Unternehmen guttut, wenn Mitarbeiter selbst die Initiative ergreifen. Die Geschäftsführung von dm erarbeitet zwar eine Jahresvorausschau. Aber die ist keineswegs für die Mitarbeiter verbindlich. Sie diene nur als Orientierung, betont Harsch. Den genauen Kurs definieren die Filialen für sich selbst, drei Mal im Jahr für das nächste Tertial. „Das ist viel fundierter, als wenn ein vom Tagesgeschäft in den Filialen etwas weiter entfernter Vorstand Vorgaben fabuliert“, sagt er. „Wenn der Vorgesetzte die Planung vorgibt, lenkt dies außerdem den Blick vom Wesentlichen ab. Die Mitarbeiter konzentrieren sich dann mehr darauf, dem Chef zu gefallen als dem Kunden.“

Das Unternehmen vertraut also darauf, dass seine Mitarbeiter von alleine etwas leisten, wenn man ihnen genügend Freiraum für Eigeninitiative lässt. Respektvoller Umgang mit den Mitarbeitern wird bei dm gelebt und nicht als Marketing-Blabla instrumentalisiert. Mit diesen Ideen hat es die Drogeriekette an die Spitze Europas gebracht. Das ist spannend, oder? Scheint so, als hätte man bei dm schon früh verstanden, wie die Unternehmensführung der Zukunft aussieht.

Fall 3: CSC – Weniger Kontrolle, mehr Umsatz

Ebenfalls interessant ist der Fall der deutschen Niederlassung des IT-Consulting- und Dienstleistungsunternehmens CSC (7 Milliarden Dollar Umsatz weltweit). Dort hat man es auch erst einmal mit zunehmender Kontrolle versucht, als 2007 die Umsätze einbrachen – allerdings mit wenig Erfolg. Das Unternehmen tat dann das, was kluge Unternehmen eigentlich immer tun sollten, wenn Plan A nicht funktioniert: Sie probierten es mit Plan B. Das hieß: mehr Entscheidungsfreiheit und Gestaltungsmöglichkeiten für alle Beschäftigten, eine Kultur des Wissens statt der Kontrolle wurde eingeführt.

Abschied von alten Führungsmodellen

Das war eine gute Idee, denn mit Hilfe von Supervision und internen Coachs, die für Einzelne und Teams eingesetzt wurden, konnte die 60 Mitarbeiter starke Geschäftseinheit Enterprise Content Management (ECM) ab April 2009 ständig steigende Erlöse verzeichnen.

Ich denke, auch an diesem Beispiel kann man erkennen, dass vor allem in Unternehmen, die auf Wissen und Innovation angewiesen sind, die alten Führungsmodelle nicht mehr greifen. Wenn man seinen hoch qualifizierten Mitarbeitern mehr Freiheiten gibt und auch mehr Sinn für wirtschaftliche Verantwortung, zahlt sich das aus. CSC Deutschland erlaubt seinen Beschäftigten inzwischen, sich fünf Aufgabenstellungen zu suchen, die ihren jeweiligen Neigungen und Fähigkeiten am besten entsprechen. Jeder Mitarbeiter ist Teil mindestens einer Arbeitsgruppe und beschäftigt sich dort zum Beispiel mit Themen wie Strategie und Innovation.

Die Teams diskutieren verschiedene Fragen, und zwar so lange, bis alle Teilnehmer zu einer Einigung kommen. Während dieses Prozesses werden die Gruppen abwechselnd geleitet. Die Führung bleibt schließlich bei demjenigen, der sich in den jeweiligen Themen als kompetent erweist und von der Gruppe als Leiter akzeptiert wird. Der Auswahlprozess folgt also spezifischer Themen- bzw. Fachkompetenz verbunden mit Führungskompetenz. Hierarchie oder Betriebszugehörigkeit sind nicht entscheidend.

Qualitative Werte statt Management by objectives

Auch in diesem Modell gilt eine klare Leistungsorientierung, allerdings sind die Leistungskriterien eher qualitative Werte wie Vertrauen, Verantwortungsbereitschaft und Innovation statt ökonomischer Kriterien wie z. B. Umsatzhöhe oder Durchsetzungshärte. Daran lässt sich erkennen, dass „ökonomischer Erfolg“ eine geradezu logische Folgeerscheinung ist, wenn die „Ausrichtung“ sowie die Eigenverantwortung und die gemeinsame Vision stimmen – und nicht umgekehrt.

Ich finde diese Maßnahmen sehr mutig, und sie zeigen, wie viel mehr Unternehmen erreichen könnten mit etwas mehr Vertrauen auf die Eigenmotivation ihrer Mitarbeiter. Gerade die hart arbeitenden Leistungsträger sind bereit, sich noch stärker zu engagieren, wenn sie mit einbezogen werden und ihre Meinung gehört und berücksichtigt wird. Solche Beispiele könnten wir noch mehr gebrauchen. Ich glaube auch, dass Unternehmen, die sich solchen Modellen öffnen, in Zukunft keine Angst vor dem viel beschworenen Fachkräftemangel haben müssen. Auch das ist ein Aspekt, den es bei diesem Thema zu bedenken lohnt, wie ich meine.

Fall 4: The Energy Project – mit Offenheit und Transparenz zum Erfolg

Was wäre, …

  • wenn die Geschäftsführer und Top-Manager an der Spitze eine mitarbeiterfreundliche Unternehmenskultur schaffen wollten?
  • wenn sie bereit wären, zu diesem Zweck auch ihr eigenes Führungsverhalten zu hinterfragen?
  • wenn die Führungsspitze nach dieser Analyse neue, ganz individuelle Rituale einführen würde, um das jeweilige Verhältnis zu den Mitarbeitern zu optimieren?
  • wenn sie dadurch mehr Klarheit in ihre Kommunikation und ihre Beziehungen bringen könnte?
  • wenn nach dem Top-Management auch die weiteren Führungsebenen und schließlich sogar jeder einzelne Mitarbeiter lernen würde, seine Energie besser zu managen und so seine Effizienz zu verbessern?
  • wenn sich infolgedessen allmählich eine Unternehmenskultur etablieren würde, die von Offenheit und Transparenz geprägt wäre und nicht mehr jeder nur nach seinem persönlichen Vorteil agieren würde?
  • wenn das Unternehmen nach und nach zusätzliche Möglichkeiten für die Mitarbeiter schaffen würde, ihr Energieniveau dauerhaft zu halten oder sogar zu steigern – durch Ernährungs- und Bewegungsangebote und ein besseres Pausenmanagement?

Das klingt in Ihren Ohren unrealistisch, oder wie ein Traum?

Tony Schwartz ist Chef und Gründer von „The Energy Project“ und hat mit seiner Unternehmensberatung bei Sony Pictures genau diese Maßnahmen umgesetzt. Mit großem Erfolg, denn das Unternehmen hat sogar im Krisenjahr 2009 eines seiner besten Umsatzergebnisse erzielt.

Mich bestärken diese Ergebnisse in meinem eigenen Ansatz: Es lohnt sich, in die eigene Entwicklung und die seiner Mitarbeiter zu investieren.

Die ausführliche Beschreibung des Projekts finden Sie bei der Harvard Business Review: Mission Entspannung.

Fall 5: Gore-Tex – das Amöbenmodell

Als Diplom-Biologin habe ich ja eine Vorliebe für Metaphern aus der Natur. Deshalb gefällt mir das Amöbenmodell, auf das ich kürzlich stieß.

Damit wird eine Unternehmensstruktur beschrieben, wie sie der US-Familienkonzern Gore, bekannt durch die Kunststoffmembran Gore-Tex, lebt. Anders als übliche Unternehmen dieser Größenordnung ist Gore nicht streng hierarchisch organisiert, sondern setzt auf kleine Organisationseinheiten: Teams von begeisterten und engagierten Mitarbeitern, die freiwillig neben ihrem Hauptaufgabengebiet weitere Commitments eingehen, weil sie in dem, was sie tun, Sinn finden und Bestätigung erhalten.

„Unser Gründer, Bill Gore, schuf eine flache Organisationsstruktur. Es gibt keine Weisungshierarchien oder vorbestimmten Kommunikationskanäle. Stattdessen kommunizieren wir direkt miteinander und sind gegenüber Kollegen in unseren multidisziplinären Teams verantwortlich.“

Wie ist all dies möglich? Associates (nicht Mitarbeiter) werden für allgemeine Arbeitsgebiete eingestellt. Mittels Beratung durch Sponsoren (nicht Vorgesetzte) und einem wachsenden Verständnis für Anforderungen und Teamziele widmen sich Associates Projekten, die ihren Fähigkeiten entsprechen. All dies findet in einer Umgebung statt, die Freiheit mit Zusammenarbeit und Autonomie mit Synergie kombiniert.

Ist das nicht spannend? Man könnte glatt auf die Idee kommen, dass eine moderne Unternehmensführung wie diese unserem Land gut tun könnten …

Fazit: Die Unternehmensführung der Zukunft beginnt heute

Ich hoffe, die Beispiele konnten Sie als Geschäftsführer, Vorstand oder C-Level dazu inspirieren, ebenfalls Neues zu wagen. Denn, so viel ist klar, die Unternehmensführung der Zukunft beginnt heute – und nicht erst, wenn Ihr Unternehmen durch veraltete Strukturen erhebliche Probleme damit bekommt, neue Fachkräfte zu gewinnen.

Sie als Top-Führungskraft sind allerdings auch in der Verantwortung für sich selbst: Damit Sie in Ihrem Sinne erfolgreich sein können, müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Suchen Sie sich die Unternehmenskultur, die zu Ihnen und Ihren Werten passt.

Herzliche Grüße

Gudrun Happich

Gudrun Happich

PS: Sie möchten Ihre Firma mir moderner Unternehmensführung erfolgreich in die Zukunft führen, bei der Umsetzung stoßen Sie aber immer wieder auf Schwierigkeiten? Schreiben Sie mir unter info@galileo-institut.de – und wir finden gemeinsam eine Lösung.

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Executive-Coach Gudrun Happich schreibt auch bei
CIO Magazine
Harvard Business Manager